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Hubert Treml & die Pawalaatschn

Kritik zum Konzert am 20. Oktober im Aurelium in Lappersdorf

Die Oberpfalz ist der Mittelpunkt seines Universums – Treml und seine Begleitband begeistern das Publikum im Aurelium mit Selbstgebackenem aus ihrer regional angerichteten Spezialitäten-Küche

Den großen Geschichtenerzählern im Pop ist eins gemeinsam: Den Ausgangspunkt für all das, was sie in Strophenform und Refrain mitzuteilen haben, den finden sie im eigenen Herkommen. Ihre Ursprünge, das sind die sprudelnden Quellen, aus denen sie schöpfen. Niemand kann einem Bruce Springsteen nachweisen, dass Long Branch in New Jersey nicht der Mittelpunkt der Welt ist. Und bei Bob Dylan ist es Hibbing, jenes Bergbaustädtchen, in dem er aufwuchs. Und dessen Flüsse, Wälder und endlose Weiten ihn, den Literaturnobelpreisträger von 2016, wild werden ließen, und auch einsam. Womit wir auch schon bei Hubert Treml wären. Auch er ist wie Bob Dylan an einem anderen Ort geboren, nämlich im tauberfränkischen Bad Mergentheim, aber als er noch Grundschulkind war, ist die Familie schon nach Weiden umgezogen. Weshalb der nachmals promovierte Theologe mit popmusikalischem Sendungsbewusstsein für die Oberpfalz das ist, was Springsteen und Dylan in den USA sind. Nämlich Sänger, die ihre Früchte aus dem Boden der Heimat ernten. Obendrein ist Hubert Treml einer, der die eigene Herkunft, den hier im nordöstlichen Bayern üblichen gestürzten Diphthong, also das -ou und das -ej, auf seiner Zunge trägt. Als ein für Eingeweihte jederzeit erkennbares und auch auf eine einstellige Kilometerzahl zuordenbares klingendes Wasserzeichen.

Nach innen weit geöffnet

Und noch etwas ist unverkennbar, an diesem bärtigen Mann mit rostroter Hose, Sakko und lustigem Strohhütchen auf dem Kopf: Und zwar sein durchdringender Wille zur Unterhaltung. Was sich in seinem Fall nicht nur auf die Bedeutungsvariante „Entertainment“ beschränkt. Sondern: Hubert Treml sucht stets den Dialog mit seinem Publikum, den rund 250 Besuchern, die ihn hier im Aurelium von Anfang begeistert feiern und mitklatschen. Und offenbar bestens vertraut sind, mit seinem Programm wie dem ihm eigenen feinen Humor. Der oft auch ganz spontan aus dem Missgeschick des Augenblicks geboren wird, etwa, wenn er gleich zu Beginn feststellt, dass er die tiefste Saite seiner Gitarre gar nicht auf die bandverträgliche Tonart D-Dur umgestimmt hat. Sondern stattdessen noch im Solo-Modus weilt. Kurzerhand geht er wieder ab. Um ein paar Sekunden später erneut ins Rampenlicht zu treten, grinsend und wie der Kasperl höchstpersönlich die Unschuld vom Land gebend. So bügelt er leichthändig und souverän, begleitet von Szenenapplaus und dem Aufbranden der Akkorde von Van Morrisons „Moondance“, den Lapsus wieder aus, mit seiner ins Oberpfälzische übertragenen „Romanzen“. Die nächsten 110 Minuten herrscht Harmonie, zwischen Hubert Treml und seiner Band, den „Pawalaatschn“.

Alles ist handgemacht

Stimmt, dieser Begriff, dieser Kapellen-Name, er bedarf natürlich der Erläuterung: Und zwar handelt es sich hierbei um ein Wort mit Migrationsgeschichte. Der Begriff wurde im Tschechischen geprägt und floss ins Wienerische ebenso ein wie hier ins ostbayerische Grenzgebiet. Er dient dazu – kurz durchatmen, es folgt eine längere Erläuterung!– umlaufende Laubengänge in quadratrisch angelegten Innenhöfen mehrstöckiger Mietshäuser zu bezeichnen. Also eigentlich etwas ziemlich Urbanes. Dieser Name ist aber ganz bestimmt mit ganz viel Hintersinn gewählt, denn was da Stefan Wurzer an seinen Percussionsinstrumenten, sein Bruder Sebastian am Saxophon und der Klarinette, Sepp Zauner an seiner Geige und Florian Peters am Akkordeon erklingen lassen, das ist ein weltmusikalischer Sound, der seine Offenheit vom Himmel her bezieht. Der aber gleichzeitig Distanz wahrt, etwa, was Neuerungen anbelangt wie algorithmisch erzeugte Rhythmen. Hier ist nichts elektronisch – alles ist handgemacht.

Reine Poesie

Und auch die Texte von Hubert Treml, sie klingen so, als wären die Songtitel wie „Es gibt nix Bessers als wos Gouads“ oder das „Zoigl-Moidl“ einem alten Liederbuch entnommen. Oder dem Anekdotenschatz einer hiesigen Tante Jolesch abgehört. Also einer symbolischen Figur, entstanden aus einer großzügig zusammengestellten Schnittmenge von Großmüttern, Metzgereifachverkäuferinnen und Wirtshausbedienungen, die im Laufe ihres Lebens ihren Schnabel zu einer solchen Waffe wachsen ließen, scharf genug, etwaige Konflikte sogleich zu ertränken, in einem Meer von Lachtränen. Indem Hubert Treml oft tief hineingreift, ins Sprachbilderbuch der Oberpfalz, nimmt er dem Gesagten gleichzeitig Wucht und Schärfe. Und wandelt etwa den Schorsch, der seinen Oasch nicht hochbekommt, in Witz und Komik um. Und ganz oft sind’s kulinarische Reminiszenzen wie selbstgemachte Erdbeermarmelade, der Kirwakouachn oder auch Dotschn, die dem Publikum das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Dieses Wasser, es entspringt dem Quell seiner Herkunft. Und ist reine Poesie. (Peter Geiger)