Die Frage könnte auch in einer ARD-Quizsendung auftauchen: Wofür die Angabe „440 Hertz“ steht? Ein besonders gewitzter Kandidat würde vielleicht antworten, dass so doch die Begleitcombo des fantastischen Jacques Palminger heißt. Und dass der bei seinem Gastspiel in Regensburg sein fein verlesenes Publikum im Ostentorkino so in Wallung gebracht habe, dass, wie es eine beseelt lächelnde Besucherin final auf den Punkt brachte: „seeeehr viel Liebe im Raum“ war. Moderator Alexander Bommes aber, der würde angesichts einer solchen Mogelpackung nur samt seines Moderationskartensets abwinken. Und mit erhobenem Zeigefinger dozieren, dass es sich dabei doch um den „Kammerton A handelt, der auch Stimm- oder Normalton genannt wird und der als gemeinsamer Bezugspunkt gilt, auf den die Instrumente eines Ensembles gestimmt werden“.
Was für ein fantastisch sprechender Name also, den der aus der Hamburger Schule stammende Jacques Palminger da für seine fünfköpfige Band mit der grandiosen Co-Sängerin Lydia Schmidt (die er lustigerweise „Pfefferkorn“ nennt) gefunden hat, die sich nicht nur auf sphärische Harmonie verstehen. Sondern die sich auch ganz offenkundig darauf verständigt haben, maximal spirituell inspirierten Space-Jazz der Marke John Coltrane, Pharoah Sanders oder Sun Ra (kongenial am Gebläse: Lieven Brunckhorst) mit Liedzeilen zu kreuzen, die ihrerseits das ganze Universum in sich bergen. Und sich einer Poesie des Sternenstaubs und des Weltenklangs verschrieben haben, die kombiniert ist, mit wohlklingender Allerweltsweisheit und multidimensionaler Absurdität. Sie beschwören Plejaden (offene Sternenhaufen also) und Unendlichkeiten, träumen beim warmen Klang von Richard von der Schulenburgs Fender-Rhodes von galaktischen Tänzern, die schneller als der Schall sind und reimen „Supernova Sonnenreflexion“ auf „bunten Luftballon“. Das ist zutiefst romantisch und witzig zugleich. Oder, wie es Knut Wenzel, an der Goethe-Universität in Frankfurt Inhaber des Lehrstuhls für Fundamentaltheologie und Dogmatik, als Gast des Abends resümierend auf den Punkt bringt: „Da klingt eine Unendlichkeitssehnsucht durch, die sich selbst nicht ernst nimmt. Und die doch auf der eigenen Wahrheit beharrt“.
Jacques Palminger wurde 1964 als Heinrich Ebber im münsterländischen Borken geboren. Lange Jahre verbrachte er an der Seite von Star-Schriftsteller Heinz Strunk und dem nicht minder grandiosen Rocko Schamoni. Und war dabei bedeutend mehr als das bloße dritte Rad, am Wagen des legendären „Studio Braun“. Er trägt dunkelblauen Anzug, dazu eine rote Pudelmütze und blank poliertes Schuhwerk. In seiner optischen Erscheinung spiegelt sich nicht nur die gesamte musikalische Eleganz, die auch mal nach britischem Jazz-Pop der 80er Jahre und dann wieder nach Steely Dan klingt. Er ist damit auch genauso geschmackvoll gekleidet, wie er mit Künstlernamen heißt. Und weiß sich auch als ein dem Beat verpflichteter Tänzer (John Raphael Burgess, der mürrisch wie ein Türsteher die Welt aus delonhaften Augenschlitzen betrachtet, ist ein Teufelskerl am Bass; und Drummer Olve Strelow verdiente den Zunamen „funky one“) zu präsentieren, sodass er von der ersten Minute an zu den Klängen von „Die Musik beginnt und hört nie wieder auf“ klarstellt: Wie eng er verwoben ist, mit all seinen eigenwilligen künstlerischen Phantasmen.
Ein Wort vielleicht noch zu jenem Song, der als Zugabe herausfällt aus dem Weltraummuster und vom Keyboarder Richard von der Schulenburg gesungen wird. In seiner Melancholie ist dieses „Spanky“ überschriebene Stück tränenrührend. Und erinnert musikalisch an den Soundtrack einer Sitcom aus den USA der späten siebziger Jahre. Zentralfigur darin ist ein Hund, um den sich die beiden in Scheidung befindlichen Ex-Partner gerade streiten. „Du hast doch schon den Golf / Und die Doppelhaushälfte mit Rolf / Von mir aus kannst Du alles haben und noch mehr / Aber Spanky gehört mir!“ Auf ihrem Abschiedsalbum „Everything must go“ hatten Steely Dan einen Titel mit ähnlichem Inhalt zu bieten, und zwar „Things I miss the most“: Darin blickt ein eher abgebrühtes lyrisches Ich während der Lektüre der „Washington Post“ zurück, auf seine Beziehung. Und denkt nach, was ihm künftig wohl am meisten fehlen wird: „The talk / The sex / Somebody to trust / The Audi TT / The house on the Vineyard / The house on the Gulf Coast / These are the things I miss the most.“ Dagegen nimmt sich die Inanspruchnahme des Hunds Spanky ja doch: ziemlich bescheiden aus! (Peter Geiger)