altemaelze

Reservoir

Brown Horse

Alternative Country aus England

Das Debutalbum „Reservoir“ dieser braunen Pferde wurde in nur vier Tagen in einer ruhigen Ecke von Norfolk aufgenommen. So etwas beherrschen nur Profis (oder geldknappe Schülerbands). Das gemalte ländliche Cover-Motiv verweist schon auf die musikalische Ausrichtung der Band. Die sechsköpfige Countryrock-Formation aus Norwich (UK) verbindet gitarrengetriebenen 90er-Jahre-Alternative-Rock mit den Folk- und Country-Klängen der 70er-Jahre, wobei die Band freilich nicht „typisch britisch“, sondern eher nach dem Wilden Westen klingt. Emma Tovell, Nyle Holihan, Patrick Turner und Rowan Braham starteten 2018 als Folk-Quartett, ab 2022 kamen zwei weitere Musiker dazu, zudem wurde der Sound  härter. Die Songs von „Reservoir“ sind in der Country-Rock-Tradition verwurzelt. Zwar bekennt sich die Band zu den Alt-Country-Klängen der Jahrtausendwende von u.a. Uncle Tupelo, Silver Jews, Lucinda Williams und Jason Molina, dennoch klingen die Folkrock- bzw. Countryrock-Elemente der 70er-Jahre immer wieder an. Man spürt immer eine gewisse unterschwellige Melancholie in den Songs des Albums. Deutlich zu spüren ist sie in Tracks wie „Paul Gilley“, einer ausufernden Geschichte über Herzschmerz, die sich mit dem Leben des gleichnamigen Songwriters auseinandersetzt, der im Alter von siebenundzwanzig Jahren im Teich seiner Nachbarn ertrank und ein rätselhaftes Vermächtnis hinterließ. Der Titeltrack „Reservoir“ nähert sich Verzweiflung und Einsamkeit mit einem Gothic-Touch durch eine Reihe von unheimlichen Vignetten, die Frustration und Unsicherheit anschaulich darstellen. Und ja, die brüchig-klagende und etwas eintönige Lead-Frauenstimme, die ist zweifellos gewöhnungsbedürftig bzw. Geschmackssache. Das funktioniert bei den wenigen Balladen – wie auf „Called away“ – noch am besten. Ich gestehe: Her voice – not so my cup of tea. Der Sound von BROWN HORSE ist reichhaltig und vielschichtig, mit Lap Steel, E-Gitarre und Akkordeon, die auftauchen und Phrasen austauschen, wie in „Outtakes“, einem treibenden Stück voller seltsamer Emotionen, das einen ausgetrockneten Fluss und einen drohenden Sturm beschreibt. Musikalisch ausgefeilte und ziemlich kratzbürstige Scheibe, die mir jedoch von der Grundstimmung etwas zu düster daher kommt. (LOOSE) HuGe

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