altemaelze

The Missing Piece

Gentle Giant

Das Album für den Februar 2024 in der Reihe „from the vaults“

Der preisgekrönte Produzent und Musiker Steven Wilson hat dem Remix von „The Missing Piece“ wieder seine feine Note verliehen. Seine klangliche Bandbreite und sein sorgfältiges Augenmerk auf die Klangqualität lassen diese alten Songs heute so frisch klingen wie bei der Erstveröffentlichung
Top-Producer und Schieberegler-Wizard Steven Wilson hat wieder zugeschlagen. Dieses Mal knöpft(e) er sich das im Jahr 1977 erschienene GENTLE GIANT-Studioalbum „The Missing Piece“ vor. Es war eine Zeit des Wandels. Der innovative early 70ies-Progrock hatte sich ein wenig tot gelaufen, wurde seichter, und als Gegenbewegung kamen Punk, Disco und Rap. Aber die sanften Giganten hielten weiter die Fahne des komplexen „Artrock“ hoch. „The Missing Piece“ gefällt mir deutlich besser als das etwas unausgereift wirkende 1976er „Interview“-Album. Auf der ersten Seite experimentierten sie mit vertrackten Affenzahn-Pop („Two weeks in Spain“), einer grandiosen Powerballade („I’m turning around“), synkopiertem Funk („Who do you think you are?“) und sogar der punkigen Aggression von „Betcha thought we couldn’t do it“, das so gar nicht nach GENTLIE GIANT klingt. Naja, nicht so mein Ding. Das Call-and-Response-Soul-Shouting von „Mountain Time“ erinnerte an den Sound ihrer ersten Alben, und lässt die Herzen der eingeschworenen GENTLE GIANT-Fans höher schlagen. Auf der zweiten Seite wurde der „Normalbetrieb“ mit einigen ihrer bisher erhabensten und komplexesten progressiven Stücke wieder aufgenommen. Das feine barocke „As old as you’re young“ leitete über in das sehnsüchtig-elegische „Memories of Old Days“ mit einem besonders innigen Gesang von Derek Shulman; für mich das beste Stück auf der Platte. Die perkussive Tour de Force von „Winning“ leitete dann das fulminante Finale von „For Nobody“ ein, eine weitere umwerfend komplexe Ansammlung von treibenden, ineinander verschlungenen Riffs, durch die die Band lässig und mit offensichtlicher Leichtigkeit donnerte. Als Zuckerl bzw. Bonustrack obendrauf gibt es eine bisher unveröffentlichte Instrumentalversion von „Winning“. Niemand hat die Verschmelzung kunstvoller fetziger Polyrhythmik mit Kammermusik-Elementen in der Rockmusik mehr perfektioniert als diese geniale britische Band. Das Alleinstellungsmerkmal haben sie sich verdient, sie gehören m.E. in die gleiche (Güte)Klasse wie die bekannteren Progrock-Grössen GENESIS (Peter Gabriel-Zeit), YES oder JETHRO TULL. (Chrysalis) HuGe

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