altemaelze

L’amour à la folie

Amadou & Mariam

Ein Album, das zu den Wurzeln zurückkehrt und voller Ausdruckskraft

Seit dem Debütalbum „Sou ni tilé“ aus dem Jahr 1998 hatte das blindes Sängerpaar aus Mali, dessen gemeinsamer Weg bereits in den 70ern begann, seine Musik in alle Welt getragen. Amadou und Mariam – ein Klang, eine Afro-Fusion, eine lebensrettende Neugier. Und eine überwältigende Verbindung, die sie fast fünfzig Jahre lang vereinte: Lebenspartnerschaft, explosive künstlerische Partnerschaft und musikalische Komplementarität. Doch diese Geschichte ist damit zu Ende, denn am 4. April 2025 schloss sich Mariam Doumbias lebenslanger Partner seinen Idolen Jimi Hendrix und John Lee Hooker im Paradies der virtuosen Sänger und Gitarristen an. Eine traurige und brutale Realität. Aber mit diesem, ihrem neunten Longplayer hat das Duo einen Nachlass hinterlassen.

„Bienvenue, bienvenue à la maison / Bon séjour, bon séjour à la maison” („Willkommen, willkommen zu Hause / Genießen Sie Ihren Aufenthalt, genießen Sie Ihren Aufenthalt zu Hause”) – mit dieser Einladung eröffnen Amadou und Mariam dieses Album, dem Nachfolger von „La Confusion“ (2017). Dieses Gefühl der Gastfreundschaft ist tief in ihnen verwurzelt. Es zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Werk und verliert nie an Bedeutung. Einfache Worte, die doch so viel Bedeutung haben: die Wichtigkeit der Familie und, wenn man etwas tiefer schaut, die Notwendigkeit, Fremden Zuflucht zu bieten. Der Akt des Willkommens, der Wille dazu. Das Intime wird universell. Dies war schon immer die wiederkehrende Absichtserklärung des malischen Duos, das stets als vereinigender Botschafter fungierte. Der Track zeichnet sich auch durch eine Rolling-Stones-ähnliche Einleitung aus, bei der die Instrumente nacheinander einsetzen, den warmen Refrain und die sofort erkennbaren Gitarrenharmonien. Ein exotischer Ego-Trip, der ihre Rückkehr nach Hause feiert („Nakan“), ein festlicher Groove, der das dringende Bedürfnis des Paares nach Kommunikation umhüllt („Je t’aime à la folie“), englische Pop-Rock-Klänge, die sich mit den Schwierigkeiten schwieriger Ehen auseinandersetzen („Furu“). Amadou und Mariam arbeiten weiterhin, meist in Bambara, an dieser Vereinigung von Körper und Geist. Sie schließen sich mit Fally Ipupa, dem Prinzen der kongolesischen Rumba, zusammen und wehren sich gegen das zerstörerische Gift von Gerüchten in einem modernen, von Lo-Fi geprägten Blues („Sonfo“). Es gibt unter den 13 Tracks auch Songs, die sich auf die Situation in Mali und damit auch auf den prekären Zustand der Welt beziehen und zum Erwachen aufrufen: „Généralisé“ mit seiner Pink-Floyd-ähnlichen Atmosphäre, „On veut la paix“ mit seiner Sound-System-Ästhetik der 60er Jahre. Und schließlich der beschwörende Schlusssong „Tanu“, eine Hymne an die Solidarität, der mit „Je vous suis reconnaissant, je vous salue“ („Ich bin euch dankbar, ich grüße euch“) endet. Amadous eleganter Schlussakkord.

Dies ist ein Album, das zu den Wurzeln zurückkehrt und voller Ausdruckskraft steckt. Ein Album, auf dem traditionelle Instrumente neben elektronischen Instrumenten, malischer Blues neben europäischen Klängen, Tradition neben Brüderlichkeit und Lernen neben Weisheit existieren. Ein Langzeitprojekt, das in Sessions in Barcelona, Bamako und Paris über sieben Jahre entstanden ist. Es verkörpert das, was das Duo während seiner gesamten Reise zu ehren versuchte: Impulse, Beobachtungen, Zweifel, Liebeserklärungen, Aussagen und Sorgen so authentisch wie möglich auszudrücken. Eingebettet darin sind die Weitergabe von Wissen, die Früchte ihrer Erfahrungen und zahlreichen Reisen sowie ein gemeinsamer Aufruf, Verantwortung zu übernehmen und sich für den Frieden einzusetzen. Zwar ist Amadou nicht mehr unter uns, aber seine Musik und seine Stimme hallen weiter nach, ein Echo, das über Zeit und Raum hinausgeht. Es ist Mariams Wunsch, nach der Trauerzeit mit dem neuen Album, das das Paar in den letzten sieben Jahren gemeinsam komponiert und aufgenommen hat, auf die Bühne zurückzukehren. (Because/Virgin) P.Ro

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https://youtu.be/3m9rsBFnWns