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Macy Gray

Kritik zum Konzert am 15. Juni im Audimax in Regensburg

Immer fesselnd, selbst wenn sie stolpert: Macy Gray, vor einem knappen Vierteljahrhundert mit dem Grammy ausgezeichnet, stolpert eineinviertel Stunden lang im Audimax durchs eigene Oeuvre

Vor einigen Wochen tauchten an den Liftfasssäulen der Stadt Plakate auf, die ankündigten: Macy Gray kommt ins Audimax. Manch einer, selbst der Rezensent, kratzte sich hinterm Ohr. Die Soul-Sängerin, die mit „I try“ zur Jahrtausendwende nicht nur einen internationalen Tophit gelandet hatte, sondern dafür auch mit einem Grammy ausgezeichnet worden war, sie kündigte an, mit ihrem Erstling „Oh how Life is“ auf „25th Anniversary Tour“ zu gehen. Was ein bisschen witzig ist: Denn ihre Karriere verlief ganz entgegen branchenüblicher Trends. Als der Erfolg kam, da war sie schon eine Mittdreißigerin. Und wurde prompt ausgebuht, als sie sich 2001, anlässlich der Eröffnung der American Football-Saison, beim Absingen der US-Hymne verhaspelte. Trotzdem blieb sie in all den Jahren in den USA Thema, war in einer „Spider Man“-Verfilmung ebenso zu sehen wie an der Seite von Denzel Washington und Ethan Hawke in „Training Day“. Und nahm weitere Alben auf wie ein Cover von Stevie Wonders „Talking Book“. Zwar reichten diese nicht mehr ganz heran, an die Klasse ihres bahnbrechenden Starts, aber nach wie vor wusste Macy Gray zu beeindrucken. Denn sie verfügt über das, was im Musikbusiness das größte Kapital ist: Sie hat eine ganz außergewöhnliche Stimme. Sie kann jaulen wie Tina Turner. Sie kann miauen wie Nina Simone. Und sie knurrt wie eine Raubkatze.

Das alles führt sie auch im Audimax vor. Aber leider steht sie sich von Anfang selbst im Weg – sodass ihre stimmlichen Qualitäten fast in den Hintergrund rücken. Als sie – begleitet von ihrer formidablen vierköpfigen Band (aber: Was ist ein Soul-Ensemble wert, ohne Bläser-Crew?) – die Bühne betritt, da wirkt sie fast wie die Jazz-Legende Ella Fitzgerald in ihren mittleren Jahren, in ihrem edlen dunklen Kleid und den schwarzen Handschuhen. Unseligerweise aber trägt sie auch grüne High Heels. Sodass sie von Beginn an einen ziemlich fragilen Eindruck hinterlässt. Unentwegt und fast verzweifelt klammert sie sich mit beiden Händen am Mikroständer fest, so als würde sie ins Stolpern geraten, würde sie den Griff lockern. Wie hatte sie in „I try“ einst bekannt? Dass sie süchtig sei, nach Liebe und nach Anerkennung – und dass sie partout nicht los lassen könne: „I try to say goodbye and I choke / Try to walk away and I stumble.“ Und wie sehr sie Unterstützung braucht: „My world crumbles / when you are not near.“ Ihre Welt ist einsturzgefährdet, wenn der Geliebte nicht da ist.

Ende April gab Macy Gray dem britischen Musikjournalisten Nick McGrath ein Interview, in dem sie recht offen darüber spricht, dass sie im Laufe ihrer Karriere immer wieder Verluste habe hinnehmen müssen: Von fünf teuren Sportautos ist da die Rede, die sie allesamt zu Schrott gefahren hat. Und dass sie heute alleinstehend sei. Ihr neugeborener Enkel aber, der sei ihr Ein und Alles. Nach rund 25 Minuten, da geht sie erstmals von der Bühne ab. Die Band vertreibt sich die Zeit mit sessionartigen Solos, so dass sich das Publikum kurzzeitig im Jazzclub im Leeren Beutel wähnt. Diese Irritation veranlasst einige der Gäste, das ohnehin nur spärlich gefüllte Audimax zu verlassen. Denn was tatsächlich fehlt, an diesem gesamten Abend, das ist ein dramaturgischer Bogen. Sodass der eingangs genannte Hit „I try“ auch schon allzubald intoniert wird – und nicht, wie vielleicht zu erwarten gewesen wäre, als Zugabe. Nach dem Schlussapplaus kommt Macy Gray nach einigen bangen Minuten dann doch noch einmal zurück – und intoniert dann den alten Right said Fred-Hit „I’m too sexy“. Das ist insofern auch etwas enttäuschend, hält doch der US-Soul eine solche unübersehbare Menge an Hymnen bereit, dass es nicht gerade dieses mediokren Spätneunzigerprodukts bedurft hätte. Und nach eineinviertel Stunden ist dann tatsächlich endgültig: Schluss. Die Lücken, die das Drama der einen hinterlässt, wussten an diesem Abend aber zwei andere für sich zu nutzen: Da war zunächst MNL Meier, der Songwriter aus Regensburg, der die erste halbe Stunde bestreiten durfte und sich nicht nur mit seinen Eigenkompositionen, sondern auch mit einer sehr schönen Version von „Purple Rain“ in die Herzen des Publikums spielte. Und auch die Gitarristin Mayaeni, sie wusste die Minuten nach Macy Grays erstem Abgang für sich fantastisch zu nutzen. So dass da der Eindruck entstand: Nachwuchskräfte schwingen sich empor – und erfüllen deutlich mehr, als ein bloßen Lückenfüllerstatus! (Peter Geiger)