Nach „Relentless“, dem besten Pretenders-Album seit den 80er Jahren nimmt Chrissie Hynde ihre Nebenkarriere mit einem vierten (oder fünften, je nachdem, wo das 2010er Album „Fidelity!“ von JP, Chrissie und den Fairground Boys einzuordnen ist) Solo-Album, „Duets Special“, wieder auf. Getreu ihrer Soloform enthält das Album, das Chrissie Hynde & Pals zugeschrieben wird, Cover-Songs – ebenso wie das Jazz-Standards-Album „Valve Bone Woe“ aus dem Jahr 2019 und das selbsterklärende „Standing in the Doorway: Chrissie Hynde Sings Bob Dylan“ aus dem Jahr 2021. Das Besondere an „Duets Special“ ist die Zusammenarbeit von Chrissie Hynde mit befreundeten Sängern und Sängerinnen auf den 13 Songs des Albums.
Auf „Relentless“ aus dem Jahr 2023 lässt Hynde die temperamentvolle Seite der Pretenders wieder aufleben, ohne dabei die sanfteren, sentimentalen Momente zu vernachlässigen, die von Anfang an Teil ihres Schaffens waren. „Duets Special“ enthält Beispiele für beides, wobei letzteres überwiegt. Dass Hynde, die durchweg emotional, aber zurückhaltend ist, sich nach wie vor so sehr für nostalgische Liebeslieder engagiert, ist aufschlussreich und widerspricht ihrem Ruf als harte Rock‚n‘Roll-Frontfrau, die am Ende der goldenen Ära des Punk erwachsen wurde. Dies und die recht offensichtliche Titelauswahl machen dieses Album zu einem eher weniger bedeutenden Werk in Hyndes bislang viereinhalb Jahrzehnte langer Karriere. Es ist ein Umweg für eine Künstlerin, die diesen Weg bereits gegangen ist: Ihr Cover von „I Got You Babe” mit UB40 war 1985 auf Platz 1 in Großbritannien und in den Top 30 in den USA. „Always on My Mind” (mit Rufus Wainwright), „It’s Only Love” von den Beatles (mit Julian Lennon) und „Can’t Help Falling in Love” (mit dem verstorbenen Mark Lanegan) sind bekannte Songs, die schon vor Jahren perfektioniert wurden. Besser sind die Überraschungen auf „Duets Special“: ein geschlechtsübergreifendes „Me & Mrs. Jones“ mit k.d. lang, Morrisseys elegisches „First of the Gang to Die“ mit Cat Power und ein Cover von Cass McCombs‘ melancholischem „County Line“ mit Alan Sparhawk von Low, dessen „Try to Sleep“ hier mit Debbie Harry gecovert wird. Sie befreien Hynde und das Album von dem Eindruck, dass viele dieser Titel besser als B-Seiten oder verstreut auf den Alben der Gastmusiker aufgehoben wären. Als vorübergehende Zwischenstation bis zum nächsten Pretenders-Album wärmt „Duets Special“ aber immerhin Hyndes gefühlvolle, interpretative Seite auf. (Parlophone) UCR
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