Natürlich hat es Gründe, wenn man in seinem Kritikerleben dem seit mehr als drei Jahrzehnten auf Bühnen und Leinwänden omnipräsenten Helge Schneider das erste Mal im Herbst des Jahres 2025 begegnet. Weil all das, was man bislang von ihm vernommen hatte, zwar keine Ekelanfälle auslöste. Aber eben auch keine Funken, die hätten überspringen wollen. Um so etwas zu entfachen wie ein Feuer ewiger Liebe. Sodass also dieser Abend im Audimax, der den ganz gewiss witzig gemeinten Allerweltstitel „Ein Mann und seine Musik“ trägt, Premiere ist. Expertenexegesen dürfen also nicht erwartet werden – die nach dem Motto funktionieren: Diesen Gag mit der „Oma aus Oberammergau“ (die sogleich zum „Ober aus Omaammergau“ mutiert), den hat er schon mal gebracht. Und zwar bei den „Tagen des heiteren Chansons“ in Dinslaken 1997, als er noch mit Buddy Casino an der Heimorgel und Jonny Controlletti an der Bassgitarre unterwegs war. Nein, nein.
Was den Skeptiker aber spontan begeistert, ist Helge Schneiders Ironie und Improvisationsfähigkeit sowie seine Bereitschaft, alles, was entsteht, wieder einzureißen und in Frage zu stellen. Das sind die Ingredienzien, die sein Koch- und Rezeptebuch enthält und die er bei seinem zweistündigen Gastspiel hier in der „Schulturnhalle in Regensburg“ (wie er jenes sattsam bekannte Vertun großer Stars karikiert, die, weil sie gestern hier und morgen dort sind, gar nicht wissen, wo sie im Hier und Heute gelandet sind) meisterhaft vorführt und variiert. Denn wollte man jetzt kleinteilig nacherzählen, was dieser selbsternannte „Klimperclown“ aus Mühlheim an der Ruhr mit seinen Kompagnons, dem offenbar mit dem Oeuvre von Django Reinhardt ziemlich vertrauten Sandro Giampietro an der Gitarre und dem supersoliden Bassisten Leo Richartz abliefert, geriete man sogleich in Teufels Küche. Und müsste stets erklären, was den Witz von „Firlefanz“ oder „Im Schnabel des Meisenmanns“ ausmacht. Aber: Gibt es etwas Langweiligeres, als nacherzählte und wie ein Suppenhuhn tranchierte Gags? Helge Schneider ist in erster Linie einer, der sich abarbeitet (die Kategorie der „Arbeit“ – ist sie dem bekennenden lebenslangen Bohemien angemessen?), an Klischees und Genres (besonderen Geschmack scheint er gefunden zu haben, am Nachkriegs-Biedermeier seines Geburtsjahrzehnts), einer, der ständig Rollen und Mimik wechselt, dabei Gesten der Macht konterkariert, sie entweiht und lächerlich macht. Und zwei Stunden lang ziemlich guten Jazz hinzuaddiert. Ansonsten würde er mit diesem endlosen Strom an Witzischkeit und Veräppelung nichts anderes auslösen als Übersättigungsgefühle. Oder ein Grummeln im Bauch, als hätte man gerade schon einen Riesensack mit Schokosnacks verspeist. Und weiß: Nach der Pause, da gibt’s noch Snickers!
Aber je mehr man sich aufs rein Musikalische einlässt, ihm bei seinen Sprüngen über die Tonleiter zuschaut, wenn er etwa zu Duke Ellingtons „Mood Indigo“ am Vibraphon improvisiert oder sich selbst an den Drums begleitet, wenn er zu Läufen an seinem rokokohaft verschnörkelten Flügel ansetzt, dann weiß man: Alles ist gut. Er ist ein Multiinstrumentalist jener Klasse, die diese Zirkustruppen ausmachen, die im Fallen einen Kippmechanismus auslösen und anschließend Flic Flac schlagend durch die Lüfte wirbeln. Auch „Die Nowak“, Pianofrau mit Sinn fürs Schräge, ist zu Gast. Nicht als Hardcore-Fan, aber als eine, die ihn seit einem Open Air-Gastspiel in Regensburg „immer im Sichtfeld“ hatte. Sie, die um die Kunst weiß, wie man einen Saal in den Bann zieht, sie bewundert seine Fähigkeit, mit „sparsamsten Bewegungen“ alle im Saal verfügbaren Augen auf sich zu ziehen und dafür zu sorgen, dass die „Leute abbrechen vor Lachen“. Wahrscheinlich legt sie damit den Finger in jene deutsche Wunde, die dafür sorgt, dass Jazz allzu oft im Ruf der „Intellektuellenmusik“ steht. Helge Schneider aber, dem ewige Clown, gelingt es spielend, jegliche Barriere wegzuflexen und seinen Fans auf Augenhöhe zu begegnen. Als von den Rängen des Audimax eine kaum verständliche Aufforderung ertönt, retourniert Helge Schneider mit einer ordentlichen Portion Mutterwitz: „Ich hab‘ ein Mikro. Du hast keins!“ Riesenlacher. So landen also am Ende alle im Schnabel dieses Vollmeisenmanns. (Peter Geiger)
(Fotokredit Bernd Schweinar)