„Is‘ der sauba?“ fragt Hans Söllner 1992 seinen Verlagschef, den legendären Achim Bergmann von TRIKONT, als ich für ein Rockbuch ein Interview anfragte. Nach „Quasi-Freizeichnung“ durch Achim, fand das Gespräch dann wenig später auch auf der gestreiften Couch im Trikont-Büro statt. „Der Bauch ist mir näher am Herzen als das Hirn“, war einer der damaligen Kernsätze von Hans Söllner. Als direkter und sperriger Volkstribun war er mir über Dekaden sympathisch. „Is der wieder sauba“, habe ich mich 33 Jahre später vor der Show im Nürnberger Serenadenhof quasi zurückgefragt! Denn Söllner hatte es Trikont und auch mir während Corona sehr schwer gemacht, mit seinen von vielen bis ins rechte Lager verorteten Gedankenwirrungen. Ich hatte eine krebskranke Frau daheim und mit seinen Schwurbeleien konnte ich deshalb überhaupt nichts anfangen. Aber Reset!
Sympathisch schmeisst er zu Konzertbeginn zwei im Karton beim Merche-Verkauf übrig gebliebene T-Shirts ins Publikum. Schnell kommt er auf das Thema Cannabis. Er lobt Lauterbach dafür und beleidigt ihn gleich umgehend für dessen Aussehen. Dafür kann der Mann nichts! Niemand kann das! Ist das die heutige Toleranz, die Hans Söllner zeitlebens für sich selbst eingefordert hat? Oder doch die Intoleranz, die wuchert, wenn Dritte einer anderer Meinung sind, als man selbst? Nennt sich eine andere Meinung nicht Freiheit? Es frägt ihn ja auch keiner zu seinen strahlend weißen Bleachingzähnen – wie aus der Fernsehwerbung. Seine Sache! Eitelkeit? Egal!
Sein „i fühl mi“ in der Version des 1991er „Bayerman Vibration“-Livealbums, wurde zu meiner Hymne für die eigenen drei Jungs. Die Kernsympathie bleibt für immer. Bleibt die Frage, was würde er fühlen, wenn einer seiner Buam seit bald zwei Jahren als Geisel der Hamas gefangen gehalten würde? Darauf geht er nicht ein, als er den machtversessenen Kriegsverbrecher Netanjahu und das Leid der Palästinenser streift – aber die hunderttausende Israelis ignoriert, die gegen Netanjahu agieren. Differenzierung zwischen Juden und Netanjahu?
Kurz danach Rücksturz bei „Hitler, Bush, Blair – International“, wo das Publikum in den Refrain einsteigt: „A Drecksau bleibt a Drecksau, bleibt a Drecksau, bleibt a Drecksau…“ Apropos Publikum: er teilt das Los vieler älterer Künstler. Ist ebenso in seiner Publikumsblase der mit ihm gealterten Fans gefangen. Kids sind nur vereinzelt zu sehen. Sie erreicht er mit seinen Botschaften augenscheinlich kaum noch. Selbst bayerische Politiker ignorieren seine Attacken längst. Wo Beckstein und Stoiber einst noch die Justiz gesattelt hatten, juckt es Markus Söder nicht mehr im Mindesten, wenn er ihn heute nur rund 3 Kilometer vor dessen Haustüre attackiert. „Hey Staat“ hat irgend etwas von Seniorentreff-Larmoyanz vor angejahrter Fankulisse. Für sie taucht er bei seinem und von ihm so titulierten „Sitz-Workshop“ in das oft gespielte Repertoire ab. Das ist für sein Publikum auch Mitsinggarantie.
Peter Pichler lässt sein Wurlitzer-Piano groovig wummern und lehnt sich entspannt in seinen Cowboystiefeln auf der Bühne zurück (Foto 3). Aber „Bayaman Sissdem“ fehlen heute die klangfüllenden Sängerinnenstimmen, so wie einst z.B. auf dem Babylon-Album. Aber nach einer Stunde lässt der etwas monotone Groove dann irgendwie den innigen Wunsch nach Backgroundgesang unendlich werden. Aber auch Musiker kosten halt Geld.
Die Show in Nürnberg war ausverkauft. „Hans Söllner & Bayaman Sissdem“ spielen aber z.B. am 6. Juli 2025 in der Steinbruch-Arena in Burglengenfeld ein Open-Air. (Bernd Schweinar)
Die ganze Bilderstrecke zu dieser Show hier am Ende der Söllner-Galerie: https://www.allmusic.de/bildergalerie/soellner-hans/