Fast 35 Jahre ist die Mannheimer Band Crematory nun schon aktiv, veröffentlichte Anfang Mai mit „Destination“ ihr bereits 17. Studioalbum, welches, laut ihrem neuen Label ROAR, eine Art ‚musikalisches Best of‘ darstellt, und ist dann auch tatsächlich die erste Scheibe, die ich mir freiwillig anhöre. Die Band ist ja eher von der Art Liebe oder Hass, eine goldene Mitte gibt es nicht. Nun könnte man es sich natürlich einfach machen und die Scheibe per se zerreißen, aber wenn man sie sich relativ entspannt anhört, findet man doch das eine oder andere Gute. Die Produktion z.B. ist richtig gut, der immer mal wieder eingestreute Klargesang ist es nicht. Erinnert mich an Mr. Lordi mit Rachenkatarrh und ist somit eher gruselig. Besser, auch wenn die englische Aussprache sehr abenteuerlich ist, sind die Growls. Musikalisch bekommt man einen Gemischtwarenladen aus Melodic Death Metal aus der Frühzeit der Band (u.a. der Einstieg ins Album mit dem Titelsong oder „My own private God“ wo die Double Bass Drum Versuche allerdings leider verpuffen wie ein Eiswürfel, der in der Sauna schmilzt, dafür sind die Kirchenorgelsounds gut bzw. der kurze Drei-Minuten-Snack „Toxic Touch“), die mich an In Flames zu deren Ende der 2000er Jahre in etwas schwächer erinnern. NDH/Industrial Metal (gruselig auch von der Aussprache her „Welt aus Glas“, das sich wie eine schlechtere Version aus Rammstein/Eisbrecher und Joachim Witt anhört bzw. die zweite deutsche Nummer „Das letzte Ticket“ – guter Text; wo sich In Extremo mit wieder Rammstein usw. paaren), Gothic Rock á la HIM (die Type O Negative Coverversion „My Girlfriend’s Girlfriend“ mit grausigem Gastgesang; unnötig) und Dark Rock Mucke á la Lord of the Lost (u.a. „Banished Forever“ (Anspieltipp #3) bzw. Gothic Rock der Helden der 80er/90er Jahre wie Sisters of Mercy („After Isolation“) bzw. The Mission („Deep in the Silence“, balladesk, schönes Gitarrensolo, toller Song, Anspieltipp) vermischt. Die Keyboardarbeit ist bei weitem nicht mehr so gruselig wie früher mit Geklimper, das sich anhörte wie ein Atari 600 Spiel, und nervt eigentlich nur beim Electro/Technosonggemisch „Days of the Sun“. Richtig stark und komplett gelungen ist das schon fast poppige „Ashes of Dispair“ mit dem besten Gitarrensolo auf der Scheibe (und mein weiterer Anspieltipp). Leider wird die teilweise echt tolle Gitarrenarbeit viel zu wenig genutzt. Die nur sporadisch auftauchenden Soli zeigen, dass es Rolf Munkes, der schon mit Tony Martin unterwegs war und seine eigene Quasi Allstar Band Empire Anfang 2000 am Start hatte, drauf hat. Zehn Sekunden lang sind nicht so der Hit und können gegen die omnipräsenten Keyboards nicht anstinken. Hier in Zukunft mehr Fokus drauf legen, sich wieder einen Mann für den Klargesang holen und dann könnte es mit der nächsten Scheibe für die tourfreudige Band was werden. Ein „Tears of Time“ (1995) ist leider nicht drauf und bleibt wohl die große Ausnahme. Von meiner Seite aus gibt es somit unterm Strich vier Sterne, da einige richtig gute Songs enthalten sind (2,5 von 10 usw., wie anderswo nachzulesen, wird der Scheibe sicher nicht gerecht) und eher ein Kauftipp für die Fans der Band, denn der Rest der Metalhörer wird sich das nicht kaufen. Live gibt es die Band dann u.a. am 9. Mai im Airport in Obertraubling zu sehen und hören. Ich verkneife es mir, denn der Auftritt 2013 auf dem Metal Invasion in Straubing war mir schlimm genug. (Rock of Angels) HJH
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