Mit diesem neuen Longplayer wird T.G. Copperfield – aka Tilo Preißer – seinem Ruf als „worc-a-holic“ gerecht, denn nach dem 2024er „Steppenwolf“ ist „All in your head“ bereits die zwölfte Veröffentlichung seit seinem Debut „T.G. Copperfield“ von 2017 – innerhalb von acht Jahren hat er das Dutzend vollgemacht, und dabei sind die Releases mit 3 Dayz Whizkey gar nicht eingerechnet.
Nach seiner Wüstentrilogie („Snakes & Dust“, „Out in the desert“ und „Steppenwolf“) dominiert hier der Rock’n’Roll – der richtige Sound für diese üblen, unruhigen Zeiten: Krieg, Hass, Missgunst, Dummheit, soziale Ungleichheit – Eskalation, soweit das Auge reicht. All diese sehr realen Faktoren finden ihren Ursprung in irgendjemandes Kopf. Jede Hassrede, alles Unrecht erwächst aus einem singulären Gedanken, der sich wie ein fauler Samen ins Bewusstsein pflanzt und – genährt von Angst, Gier oder Unsicherheit – seine giftigen Früchte in die Welt hinausträgt. Und solche Prozesse sind es, für die sich T.G. Copperfield diesmal interessiert. Für die Gedankenkarusselle und Teufelskreisläufe, für das Zwielicht, die Düsternis und die Antihelden. Für den einen Schritt vor und den über dem Abgrund, die Sekunde vor dem Bruch. Er taucht ein in die menschliche Psyche, ergründet deren Abwege und Irrpfade. „‘All in your head‘ hat einen recht dunklen Unterton, wie eigentlich alle meine Platten“, erklärt Tilo über sein zwölftes Studioalbum. „Man hätte alles besser unter Kontrolle, wenn man diesen verflixten Anfängen wehrt, die im Kopf beginnen.“ Klanglich bettet Copperfield diese Überlegungen auf geradlinigen Bluesrock. Der Großteil der von Blues- Spezialist Martin Meinschäfer (u.a. Henrik Freischlader, Kai Strauss) produzierten Tracks geht nach vorne, fährt direkt in die Glieder. Die Songs bringen mit den unwiderstehlichen Grooves von Copperfields Electric Band (mit im Studio waren noch Michael ‚Air‘ Hofmann, Claus Bächer und Don Karlos), seiner grandiosen Gitarrenarbeit, seinen lässigen Vocals und ihrer dringlichen Unmittelbarkeit Bewegung in Körper und Seele. Und der Rock’n’Roll dominiert hier ganz klar – der großartige Opener „Mule“ setzt den Sound-Grundtenor für die ganze Platte. Im folgenden „I’m On My Way“ wartet der Teufel schon mit scharrenden Hufen vor der Tür, in „Living On A Knife“ herrscht dem Titel gemäß absolute Katastrophenstimmung. In „Kicked Down By Love“ rotiert das innere Gedankenkarussell unbarmherzig bis zum Schwindel. Der „Redemption Blues“ ergründet die psychologische Beschaffenheit des menschlichen Selbstmitleids, „Not Your Game“ stellt die Frage, welche inneren Schlachten sich zu kämpfen lohnen. Der Titel „World War III“ spricht für sich. Wenn Copperfield „This is not my World War III“ ruft, gehen einem diese unmissverständlich artikulierten Gefühle der Ohnmacht und Abscheu durch Mark und Bein. Trotz dieser schweren Themen schimmert an mancher Stelle ein Hauch von Ironie hindurch, ein verschmitztes Augenzwinkern. So zum Beispiel in „Have Mercy On Me“, einer Nummer, die ohne doppelten Boden einfach nur Spaß macht. Oder „The Needle Hit The Groove“ – „ein dadaistischer Song, zu dem man sich irgendetwas überlegen kann und alles ist irgendwie falsch“, wie T.G. schmunzelnd erklärt. Dann wäre da noch der Titeltrack „All In Your Head“, eine Aufzählung all jener Gedanken, die sich schon während ihrer Entstehung in eine falsche Richtung winden. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer: Was schlecht ist, kann auch gut sein. Was im Gehirn schief geht, kann auch richtig laufen. Zumindest, wenn man die eigene Einstellung ändert. Und dann gibt es da noch diesen einen, aber vielleicht wichtigsten Aspekt von allen: Kunst beginnt im Kopf. Auch T.G. Copperfields neues Werk hat einmal als einzelner Gedanke angefangen. Und jetzt kann man es in den Händen halten. Es gibt also doch ein wenig Licht im Dunkel. Man muss nur genau hinsehen. Das ist das bislang ausgereifteste Album von T.G. Copperfield und legt die Messlatte ganz schön hoch! (timezone) P.Ro *****/*
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