altemaelze

Orgy oft he Damned

Slash

Blues-Klassiker

„Eine großartige Cover-Version nimmt etwas Altes und erneuert es.“ – unter diesem Motto steht der neue Longplayer von Slash, dem gefeierten G’n’R-Gitarristen. Und mit dieser Philosophie präsentiert er auf „Orgy of the Damned“ eine Sammlung von zwölf dynamischen Songs, die Blues-Klassiker mit einem reduzierten, instinktiven Ansatz neu belebt. Und ähnlich wie bei seiner selbstbetitelten ersten Solo-Platte „Slash“ aus dem Jahr 2010, auf der viele verschiedene Gastsänger zu hören waren, hat sich der Gitarrist auch diesmal mit zahlreichen Musikern und Sängern zusammengetan, um seine Hommage an den Blues zu erschaffen. Indem er sowohl bekannte als auch weitgehend unentdeckte Songs zelebriert, vollzieht Slash eine nostalgische Verbeugung vor der Vergangenheit, während er diese Songs durch sein unnachahmliches Gitarrenspiel und dem kollaborativen Geist mit neuem Leben erfüllt.

Obwohl Slash in England aufgewachsen ist, hat ihn seine amerikanische Großmutter schon früh für den Blues begeistert und er war sofort von B.B. King angetan. Gleichzeitig wurde er von seinen Eltern mit einer gesunden Portion britischem Rock ’n‘ Roll der 60er Jahre aufgezogen, von The Who bis The Kinks. Nachdem er begonnen hatte, selbst Gitarre zu spielen, erkannte er, dass alle seine Lieblingsmusiker von denselben B.B. King-Platten beeinflusst worden waren, die er selbst als Kind gehört hatte – ein denkwürdiger Moment, in dem sich ein Kreis schloss. Doch obwohl Slash sich jahrelang mit dem Genre beschäftigte, initiierte er erst Mitte der 90er Jahre die Bluesrock-Band Slash’s Blues Ball nachdem er bei G’n’R ausgestiegen war. Eine Band, mit der er zwar auf Tournee ging, aber nie Musik veröffentlichte. „Wir waren eigentlich nur eine betrunkene Coverband“, erinnert sich Slash. „Wir haben gejammt und es hat viel Spaß gemacht. Ich bin mit den Jungs in Kontakt geblieben und vor ein paar Jahren hatte ich etwas Zeit zwischen zwei Guns N‘ Roses-Touren, also rief ich sie an und sagte: ‚Hey, lasst uns ins Studio gehen und ein paar dieser Songs aufnehmen.‘ Ich liebe Bluesmusik, aber ich habe nie wirklich etwas mit Blues gemacht, weil ich immer so sehr mit anderen Dingen beschäftigt war. Nach all den Jahren habe ich mich endlich dazu entschlossen, es zu tun.“

Slash schloss sich mit zwei seiner ehemaligen Blues Ball-Bandkollegen, dem Bassisten Johnny Griparic und dem Keyboarder Teddy Andreadis, zusammen und holte den Schlagzeuger Michael Jerome und den Sänger/Gitarristen Tash Neal hinzu. Die Gruppe begab sich in einen Proberaum und begann, gefühlvolle Versionen klassischer Songs zu erarbeiten. Einige der Songs, wie Steppenwolfs „The Pusher“, Charlie Segars „Key to the Highway“ und Albert Kings „Born Under a Bad Sign“, waren in den 90er Jahren von Slash’s Blues Ball auf Tour gespielt worden, während andere, wie Stevie Wonders „Living for the City“, schon lange zu Slashs Lieblingsstücken gehörten. „Es war eine sehr spontane Sache“, sagt Slash. „Wir haben es einfach ausprobiert. Wir haben nicht recherchiert oder versucht, die passenden Stücke zu finden – es sind einfach Songs, die ich mag. Ich wollte mich der Musik auf dieselbe Weise nähern, wie ich Gitarre spiele. Es sind meine Interpretationen. Bei einigen Stücken haben wir das Arrangement komplett geändert, weil wir es einfach in der Form gespielt hören wollten. Das Schöne am Improvisieren und nicht zu viel Nachdenken ist, dass dabei etwas Interessantes oder Unerwartetes herauskommen kann.“

Nachdem die Gruppe einige Wochen lang zusammen gejammt hatte, nahm sie die Instrumentalstücke im Frühjahr 2023 eine Woche lang in den East West Studios und im Snakepit Studio in LA auf, wo Slash erneut mit dem ihm gut bekannten Produzenten Mike Clink zusammenarbeitete. Alles wurde live eingespielt, wobei der Schwerpunkt auf der Improvisation lag. Das Ergebnis dieser Herangehensweise sind dynamische, energiegeladene Songs, die sich unmittelbar, roh und unverkennbar vertraut anfühlen. In den folgenden Monaten warb Slash die verschiedenen Gastsänger des Albums an und nahm mit ihnen auf, darunter Gary Clark Jr., Billy F. Gibbons, Chris Stapleton, Dorothy, Iggy Pop, Paul Rodgers, Demi Lovato, Brian Johnson, Tash Neal, Chris Robinson und Beth Hart. „Das war das Einzige, was ich anders machen wollte als bei Blues Ball“, erklärt Slash. „Ich dachte, es wäre cool, ein paar Leute zu holen, die ich kenne und die zu den Songs passen, so wie ich es bei meinem selbstbetitelten Album im Jahr 2010 gemacht habe. Das war wirklich ein cooles Projekt und das hier ist ähnlich cool geworden.“ Als Slash über die Gastsänger für sein Album nachdachte, wandte er sich unter anderem an seinen alten Freund Iggy Pop, der schon lange einen Blues-Song aufnehmen wollte. Pop schlug „Awful Dream“ von Lightnin‘ Hopkins aus dem Jahr 1962 vor, eine reduzierte, schleppende Nummer, die ursprünglich auf der Akustikgitarre gespielt wurde. Das Duo beschloss, diese reduzierte Atmosphäre nachzubilden und nahm seine eigene getragene, gefühlvolle Version auf zwei Hockern sitzend in Slashs Studio auf. „Iggys Interpretation dieses Songs ist wirklich großartig“, sagt Slash. „Und es ist etwas, das noch niemand je von ihm gehört hat. Am Ende des Stücks hört man, wie er nur die Mundharmonika-Parts singt.“ An anderer Stelle hat Steven Tyler von Aerosmith einen Mundharmonika Auftritt auf der ersten Single des Albums, einer rauen, ungestümen Version von Howlin‘ Wolfs „Killing Floor“ aus dem Jahr 1964, bei der niemand Geringeres als Brian Johnson von AC/DC am Mikrofon zu hören ist. Demi Lovato leiht ihre kraftvolle Stimme „Papa Was a Rollin‘ Stone“, einer inbrünstigen, gefühlvollen Version der Single von The Temptations aus dem Jahr 1972, die Slash schon als Kind bewunderte. Obwohl der Song eher in Richtung R&B geht, wollte der Gitarrist ihm seine eigene, temperatmentvolle Note geben. Das Album schließt mit einer mitreißenden Instrumentalnummer, „Metal Chestnut“, die speziell für Orgy of the Damned geschrieben wurde. „Mike (Clink) fragte mich, ob ich etwas für das Album geschrieben hätte, aber ich hatte nicht einmal darüber nachgedacht“, erinnert sich Slash. „Ich wollte, dass er denkt, ich hätte alles parat, also rannte ich nach Hause und schrieb etwas, brachte es zurück und begann mit der Band zu jammen. Es kam sehr schnell zustande. Ein ehrliches, emotionales Stück.“

Das Album vereint eine breite Palette von Stilen innerhalb des Blues, die von einer schnellen, roughen Version von Robert Johnsons „Crossroads“ bis zu einer klagenden, klirrenden Interpretation von T. Bone Walkers „Stormy Monday“ reicht. „Hoochie Coochie Man“, geschrieben von Willie Dixon und berühmt geworden durch Muddy Waters im Jahr 1954, zeigt die Unmittelbarkeit und ungebremste Energie von „Orgy of the Damned“, mit Billy F. Gibbons von ZZ Top an Gitarre und Gesang. „Ich habe bei dem Song immer an Billy gedacht“, sagt Slash. „Ich musste ihn erstmal ausfindig machen, aber schließlich haben wir ihn in einem Studio in Palm Springs aufgenommen. Er klingt sehr lebendig, als ob man ihn irgendwo live in einer Bar hören würde.“

Dieser Longplayer zeigt eine weniger gehörte Klangfarbe von Slashs musikalischer Bandbreite. Obwohl er schon immer ein breites Spektrum an Stilen und Genres vertreten hat, bietet das Album einen Einblick in seine frühen Inspirationen und anhaltenden Obsessionen. Statt mit seinen typischen Verstärker-Stacks aufzunehmen, beließ er es bei einem kleinen Combo-Verstärker und ein paar alten Gitarren und nutzte so die Gelegenheit, eine einzigartige Seite seines Spiels zu erkunden. „Bei allen Hardrock-Bands, in denen ich spiele, wird die Musik normalerweise in einem frenetischen Tempo und mit einem erheblichen Maß an Aggression dargeboten“, fügt er hinzu. „Dieses Album ist immer noch in meinem Stil und es hat immer noch seine eigene Art von Aggression, denn das ist die Art, wie ich spiele. Gleichzeitig hat es aber auch einen einfachen, reduzierten Sound, der transparent und klar ist. Es ist ein anderer Ansatz. Ich mache nicht oft diese Art von Platten und man hört selten Aufnahmen von mir in diesem Kontext. Aber ich liebe, was wir in diesem Moment eingefangen haben.“ (Seven.One Starwatch/Sony Music Entertainment) P.Ro

*****/*

******* = genial / ****** = phänomenal / ***** = optimal / **** = normal / *** = trivial / ** = banal / * = katastrophal