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Die dreckige Seidenstraße

Philipp Mattheis

Hardcover mit Schutzumschlag, 288 Seiten, s/w-Illustrationen, Goldmann, 24 Euro
Wie Chinas Wirtschaftspolitik weltweit Staaten und Demokratien untergräbt.

Mitte Juli hat die Bundesregierung ein neues Strategiepapier zu China vorgestellt. Damit sollen die bilateralen Beziehungen neu strukturiert und formuliert werden. Dass sich China mit seiner expansiven Wirtschafts- und Außenpolitik zu einer Bedrohung des westlichen Werteverständnisses entwickelt hat, wird in den letzten Jahren immer deutlicher.

Lange galt China als eine Art sanfter, schlafender Riese. Zwar waren das politische System und dessen Menschenrechtsverletzungen nur schwer vereinbar mit westlichen demokratischen Werten, doch man setzte auf das Prinzip »Wandel durch Handel«. China würde sich mit steigendem Wohlstand schon öffnen. Heute beobachten wir das Gegenteil. Die Festigung der Macht von Xi Jinping als Führer der Kommunistischen Partei Chinas, der das System in ein autokratisches Parteimonopol umgestaltet hat, macht die Hoffnung auf den Wandel des Landes zu mehr Demokratie obsolet.

Der Journalist und langjährige China-Korrespondent Philipp Mattheis zeigt in seinem Buch „Die dreckige Seidenstraße“, in welchen Teilen der Welt sich chinesische Staatsunternehmen bereits festgesetzt haben und systematisch Handelsrouten und Energiequellen für den eigenen Markt ausbeuten. Vielfach sind die dargestellten Beispiele im Buch nicht neu. Aber der Umfang  der „Belt-and-Road-Strategie“ zeige, welch enormen Einfluss diese Strategie auf die betroffenen Länder habe. Dabei gehe die massive Kreditvergabe an die betreffenden Staaten sowie der Ausbau von Infrastruktur häufig an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort vorbei. Chinesische Firmen kommen in den Ländern an mit eigenen Arbeitskräften, eigenen Restaurants und Wäschereien, für die einheimische Wirtschaft blieben dann nur schlecht bezahlte Hilfsarbeiterjobs übrig. So habe sich vor allem bei den einfachen Menschen das Image Chinas nicht verbessert.

Außerdem seien eine Reihe von Projekten, die im Rahmen der „Neuen Seidenstraße“ gebaut werden, schlicht gigantische Fehlkalkulationen, die wohl auf schlampige Planungen oder  falsche Einschätzungen der wirtschaftlichen Entwicklung beruhten. Zwei solcher Beispiele aus Sri Lanka zeigen, wie das Land in eine gewaltige Abhängigkeit von China getrieben wurde. Bahnlinien in Afrika enden im Nirgendwo oder Züge zockeln langsam dahin, weit entfernt von der Hoffnung auf die Technologie der chinesischen Hochgeschwindigkeitsbahnen. Diese Investitionen machten die Staaten abhängig vom Kreditgeber, und an Abstimmungen in der UN, etwa über die Uiguren, die im Sinne Chinas laufen, wird dies ersichtlich.  Man weiß nicht, ob es in Verträgen bestimmte Geheimklauseln gibt, aber die Korrelationen seien doch recht deutlich. Ebenso sei erstaunlich, dass sich Staaten wie die Türkei oder Saudi Arabien kaum für die Rechte der muslimischen Uiguren einsetzen.

Im vorletzten Kapitel beschreibt der Autor den „Sonderfall Deutschland“ und die Situation am Endpunkt der Seidenstraße in Duisburg. Die Bedingungen seien hier anders, da Deutschland als bedeutende Volkswirtschaft und Handelspartner Chinas eine stärkere Rolle als Staaten der Dritten Welt inne habe. Dennoch sei auch hier Vorsicht geboten, wenn chinesischen Staatskonzernen Zugriff auf kritische Infrastruktur  gewährt werde und der Ausbau des Mobilfunks in Deutschland an eine chinesische Firma gehen sollte. Es müsse eine gemeinsame europäische Antwort auf das Vordringen Chinas gefunden werden.

Der Journalist und langjährige China-Korrespondent Philipp Mattheis hat die Länder, durch die die neuen Seidenstraßen verlaufen, bereist: von Kasachstan bis Ungarn, von Sri Lanka bis Georgien, von Griechenland bis Deutschland zeigt er die Wirkmechanismen und Folgen der chinesischen Wirtschafts- und Geopolitik und fordert zu politischer Verantwortung und zum Umdenken auf. (arm)