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Günther Trüb: Literarisches Debüt mit 78

Präsentation von „Bildgänger“ im Hotel Goliath

Günther Trüb hat während der Pandemie einen Roman geschrieben. In „Bildgänger“ gelingt es seinem Protagonisten, in Albrecht Altdorfers „Alexanderschlacht“ hineinzugehen und so Zeit und Raum ein Schnippchen zu schlagen.

Wer am Montagabend an der Bar im Hotel Goliath einen Whiskey ordern wollte, um sich zum Feierabend nach Hemingway-Manier ein vollmundiges Geschmackserlebnis zu gönnen, hatte schlechte Karten: Denn die Lobby, sie ist ziemlich voll, abends um halb Sieben. Und an der Bar ist erst recht kein Plätzchen mehr frei. Der Grund dafür ist seinerseits ein literarischer: Denn Günther Trüb, ehemaliger Ministerialbeauftragter für die Gymnasien der Oberpfalz, hatte geladen. Und zwar zu einem Debüt der besonderen Art. Der studierte Germanist und Historiker – dass er 78 ist, sieht man ihm beim besten Willen nicht an – präsentierte nämlich seine höchstpersönliche Frucht der Pandemiezeit, nämlich sein Romandebüt „Bildgänger“.

Im Zentrum dieser knapp 400 Seiten steht Alexander Seltschuk. Der gebürtige Regensburger mit Wurzeln in Paris und im türkischen Iskenderun bemerkt, während er an einem Referat über Albrecht Altdorfers „Alexanderschlacht“ arbeitet, eine gleichermaßen merkwürdige wie einzigartige Fähigkeit: Ihm gelingt es nämlich, in den Gegenstand seiner Themenstellung „hineinzugehen“. Sodass er sich unvermittelt in jenes kriegerischen Szenario der Antike hineinversetzt sieht, das wegen des Merkspruchs „333 – bei Issos Keilerei“ auch dem größten Geschichtsmuffel bekannt sein dürfte.

Aber bevor es so weit kommt, streut Pädagoge Günther Trüb erst einmal ein paar kritische Bemerkungen ein, über das, was angeblich die Qualität zeitgemäßen Unterricht ausmacht, beim Protagonisten (und damit beim Betroffenen) aber nur Wutanfälle provoziert. Denn auf „Projekte“ am Schuljahresende hat der 16-Jährige schon mal gar keinen Bock. Viel lieber ist ihm ein „ordentlicher Lehrervortrag“. Denn „da konnte man am schnellsten etwas erfahren, was die Welt ein Stückchen weiter erklärte.“ So geht das munter dahin – und weil der Autor nicht nur gelernter Pädagoge, sondern auch praktizierender Didaktiker ist, hat er seine Kapitel – 55 sind‘s an der Zahl – auch jeweils schön kurz gestaltet und nach Scheherazade-Manier mit einem Cliffhanger versehen. Denn Günther Trüb kommt’s nicht nur auf den Inhalt an, sondern auch darauf, dass dieser schön portioniert ist. Sodass er seiner Leserschaft keine Langstreckenläuferqualitäten abverlangt, wenn sie sich auf den Roman einlässt. Sondern dass die ihn auch in kurzen Etappen durchsprinten kann.

Dass für die Entfachung des Zaubers wiederum ein Ring verantwortlich ist, wird geübte Leser des Genres „Fantasy“ nicht sagenhaft überraschen. Aber mittels jener Knotenschnur mit Troddel, die auch Altdorfers Meisterwerk ziert, gelingt es dem talentierten Fußballer seinen Weg zu finden, hinein in die Kunst. Und so zum titelgebenden „Bildgänger“ zu mutieren. Der sich ein paar Seiten später ganz unvermittelt ins Jahr 1529 versetzt sieht – und zwar ins Atelier des Künstlers, der gerade im Begriff ist, den im von Bayern-Herzog Wilhelm IV. erteilten Auftrag auszuführen – obwohl er ja eigentlich vom Rat der Stadt Regensburg zum Bürgermeister gewählt wurde.

So legt der Autor, der seinen Roman erst auf Drängen seiner Gattin veröffentlichte und so unvermittelt mit 78 zum literarischen Debütanten mutierte, mit viel Geschick seine Erzählfäden aus. Und ist am Ende der Lesung nicht nur über den Zuspruch am Verkaufstisch begeistert – sondern lobt seine Zuhörerschaft für ihre Aufmerksamkeit. Wie auch augenzwinkernd dafür, dass „wirklich keiner geschwätzt“ hat. (Peter Geiger)