Im Advent letzten Jahres hielt Hannes Ringlstetter in Regensburg in der Dreieinigkeitskirche eine Rede. Darin sagte er viel Kluges und Bedenkenswertes über unser komplizierter gewordenes Zusammenleben. Und irgendwann fiel an diesem Sonntagvormittag auch der Satz, dass er von Haus aus kein Problem habe, über sich selbst Auskunft zu geben. Was fast ein bisschen frivol klang.
I bin so gstrickt
Zitiert man ihm gegenüber nun zum Auftakt des Telefoninterviews diese bekenntnishafte Selbsterkenntnis, so antwortet er nicht mit seinem typischen Lachen. Sondern ganz unerwartet stoppt er diese Steilvorlage, statt sie volley zu nehmen. Und antwortet ganz ernst: „Ich hab‘s mir über die Jahre angewöhnt, von Berufs wegen keinen Scheiß zu erzählen. Es gibt viele Leute, die sich permanent öffentlich äußern und dabei Spaltendes von sich geben. Ich mache das bewusst anders!“ Womit der soeben ausgeworfene Gesprächsfaden auch schon spielerisch anknüpfen kann, am Gesprächsanlass: Das ist sein neues Album, das er ebenso bescheiden wie programmatisch „live 2023“ überschrieben hat. Und das mit dem Titel „So bin i“ eröffnet. Hier dekliniert Hannes Ringlstetter musterhaft einen Katalog von Eigenschaften durch, und gesteht uns, seinen Zuhörern, wie er ist – und wie er eben nicht ist: „Mal bin i laut, mal bin i leise!“ All die Kraft, die er benötigt, um sich voluminös als TV-Moderator seinen Studiogästen oder als Sänger seinem Publikum zuwenden zu können, die bezieht er eben aus jenen Phasen der Innerlichkeit, des Nachdenkens und der Kontemplation – also der geräuschgedämmten Hinwendung zu sich selbst. Und um die Thematik abzuschließen, fügt er noch einen ganz wunderschönen Satz an: „I bin einfach so gstrickt!“ Der Satz lässt sich nur im Dialekt wiedergeben, der unverkennbar das Webmuster seiner Herkunft aus Alburg, einer dörflich strukturierten Eingemeindung in die kreisfreie Stadt Straubing widerspiegelt. Schon ein „e“ mehr würde den Sinn kippen lassen, ins Nirwana der Bedeutungslosigkeit. So, wie ein Leberkas ein Leberkas ist. Und kein Käse.
Seid’s freindlich
Und dann folgen wieder ziemlich ehrliche Worte, eben das, was er eingangs schon beschworen hatte: „kein Schmarrn“ und auch „kein Scheiß“. Ihm sei klar, dass sich in Zeiten von Spotify und Streaming mit einem Live-Album keine Millionen verdienen ließen. Und dass er auch vergeblich warten müsse, auf „Heavy Rotation“ bei den Radiosendern. Das alles aber spiele für ihn nicht die entscheidende Rolle. Als Musiker ist er sowieso ein „unverbesserlicher Anarchist“, weshalb er Liebhabern und Fans ein Geschenk machen wolle. Das 70-minütige Album mit seinen 14 Titeln – auf Vinyl gepresst ist es eine Doppel-LP – sei für diejenigen, die ihm und seiner zehnköpfigen Live-Band treu geblieben sind und das unvergleichliche Gefühl vermittelt hätten, sich unter Freunden zu tummeln. Und er will es auch als Zeichen verstanden wissen, dass Musik auf der Bühne eben nicht tot zu kriegen ist. Aufgenommen wurde die Tour heuer in heimatlichen Gefilden, wie zum Beispiel in Passau. Die Shows waren ausverkauft. Und die Stimmung selbstredend: magisch. Und schon ist Hannes Ringlstetter mittendrin im Schwärmen, lobt seine Mitmusiker, den Stefan und den Andy dafür, wie meisterhaft sie die Bläser arrangieren und dass genau daraus etwas Weltoffenes entsteht. Und damit das Gegenteil von dem, was im Bayerischen mit „der stierlt oiwei ins selbe Loch nei“ bezeichnet wird. Natürlich ist mit der Mundart ein Bekenntnis zum Regionalen verbunden – aber musikalisch darf‘s und soll‘s dann schon ein bisschen mehr sein, als Humptata und Gedaddel à la Gabalier. Weshalb er sich auch so freut, mit seiner Band an jenem Punkt angelangt zu sein, an dem sie beim Machen nicht mehr dran denken, wie’s wirkt. Sondern sich nur noch dem hingeben, was man als „Musizieren“ bezeichnet. Eine Reminiszenz an jenen bildungsbürgerlichen Lehrerhaushalt, dem Hannes Ringlstetter entstammt. In dem ihm vermittelt wurde, dass erst aus hartem Üben und der Hingabe zur Kunst tatsächlich Großes entstehen kann. „Und genau diese Freiheit, die hab‘ ich mir jetzt erarbeitet!“ Und schließt noch einen Lobgesang an, auf Jochen Goricnik, der ihn seit 25 Jahren als Gitarrist begleitet: Mit ihm, dem Gatten von der Raith Susi, verstehe er sich blind. Er sei es, der den linear erzählten Texten erst „Klang und Struktur“ verleihe. Die auf dem Live-Album ebenfalls enthaltene „Niederbayern“-Hymne dauert hier sieben Minuten – und lebt von den grandiosen solistischen Ideen des rotblond gelockten Gitarristen, die dieses zwiespältige Bekenntnis zur eigenen Heimat umtänzeln. Und zum Schluss des Gesprächs zitiert Hannes Ringlstetter noch seinen Lieblingsniederbayern, den legendären Hans Jürgen Buchner, der mit „Haindling“ den Regierungsbezirk schon in den 1980er Jahren zur deutschlandweit bekannten Marke gemacht hat: „Seid’s freindlich!“ Wer darin zusätzlich eine Aufforderung zum Kauf von Ringlstetters „live 2023“ herauslesen möchte, liegt bestimmt nicht falsch!
Im November geht Hannes Ringlstetter mit seiner Band wieder auf Tour – um außerhalb Bayerns Clubs zu rocken. Vielleicht trifft er dann ja auch wieder auf Wolfgang Niedecken, der ihn in München auf die Bühne des Circus Krone als Special Guest geladen hatte, um mit ihm gemeinsam Dylans Klassiker „Ain‘t goin‘ nowhere“ zu performen. Oder auch seinen Kumpel Stefan Stoppok, mit dem er neulich die Single „Geld oder Leben“ aufgenommen hat. (F.A.M.E./Sony) PeG *****