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Frontm3n

Kritik zum Konzert am 8. August im Thon Dittmer Palais in Regensburg

Der süße Honig der Erinnerung: Die Frontm3n genießen den Applaus im rappelvollen Arkadenhof beim Palazzofestival

Mit arrogantem Naserümpfen auf Seiten des Publikums müsste eigentlich gleich zu Beginn Schluss sein. Denn Peter Howarth, Pete Lincoln und Mick Wilson, diese drei Briten, allesamt Mitte 60 (geboren zwischen 1957 und 1962), die sich da im Arkadenhof des Thon Dittmer-Palais unter dem etwas geckenhaften Namen „Frontm3n“ zugutehalten, jeweils namhaften Singlechart-Bands wie den Hollies, Smokie, Sweet, Sailor und sogar den auch auf LP-Format satisfaktionsfähigen Soundveredlern von 10cc (!) als Sänger vorgestanden zu haben (was zwar wahr ist, aber in keiner der Erstbesetzungen, sondern erst viel später, als die Karrierewelle jeweils längst am Verebben war), sie sind, was ihre stimmliche Qualität als Sänger anbelangt, tatsächlich über jede Art von Zweifel erhaben. Erhaben? Ja, meilenweit erhaben! Und zwar nicht nur als jeweilige Solisten, was man bei diesem ziemlich vollmundig gebrauchten Begriff des getripelten Frontmanns befürchten müsste. Nein, sie verstehen sich auch jeweils als dem dreistimmigen Chor dienende Knaben und stellen sich somit in den Dienst des Ganzen. Mit anderen Worten: Dem Trio ist, was seine musikalische Seriosität betrifft, ganz und gar nichts vorzuwerfen! Und, auch das muss gleich vorweg festgehalten werden: Ihre eigenen Songs, zu denen sie immer wieder Beifall einfordern, und zwar in recht ironischer Weise, was übrigens kräftig einzahlt, auf das Sympathiekonto des Trios – auch sie funktionieren! Und wäre der Pop- oder der Rock’n’Roll-Gott ein gerechter, dann wären viele dieser Songs tatsächlich mit jenem Airplay gesegnet und ausgestattet, wie, sagen wir Elton John-Songs. Und würden wiederum als die Art von Ohrwürmern, die sie sein könnten, Respekt genießen, nicht nur von Seiten der Radio-DJs, sondern auch des Hörpublikums.

Die Leute kommen zu den Frontm3n jedoch wegen der Hits, die sie im Gepäck haben. Und auch hier muss man konzedieren: Das ist tatsächlich brillant, wie sie ihre etwas dem Zufall geschuldete und ihren jeweiligen Bandschicksalen geschuldete Mischung aus Sweet- und Smokie-Songs, garniert mit Cliff Richard- und Hollies-Titeln präsentieren. Sie vertrauen ausschließlich auf Gitarren und Bass – und trotzdem klingen dann Rocker wie „Ballroom-Blitz“ oder „Love is like Oxygen“ in ihren Versionen so vertraut wie aus dem Radio. Highlights setzen sie mit ihrem dreistimmigen Gesang vor allem, wenn sie Roy Orbison’s „You got it“ (das er gemeinsam mit Tom Petty und Jeff Lynne und posthum auf seinem 1989er-Album „Mystery Girl“ erschienen ist) anstimmen – oder von 10cc die beiden sofort Tränen in die Augen treibenden Titel „The Things we do for Love“ und „I’m not in Love“, die, was Perfektion und Understatement anbelangt, auch Beatles-Titel sein könnten. Brillant interpretieren sie auch „Long cool Woman“ von den Hollies – das auch in ihrer Version so klingt, als hätte der große John Fogerty von CCR kompositorisch und beim Arrangement mit Hand angelegt. Am Schluss – wenn das tatsächlich völlig unverwüstliche „Dreadlock Holiday“ verklungen ist, dann verzeiht man ihnen sogar, dass sie einerseits mit „Rubber Bullet“ einen 10cc-Titel spielen, in dem es um den Einsatz von Geschossen von Seiten der Polizei bei Demonstrationen geht (mutmaßlich ging’s um den Nordirland-Konflikt, aber auch während des wegen Kuwait ausgebrochenen Golfkriegs zu Beginn der 1990er Jahre verschwand der Titel vorübergehend aus der BBC-Playlist) – andererseits den Schunkel-Klassiker „Lucky Lips“ von Cliff Richard. Aber auch das kann als eine Reminiszenz verstanden werden, an einen Musiker, den (zumindest) Pete Lincoln als Background-Sänger begleitete – und vor dessen grandiosen Titel „Carrie“ von 1979 sie sich ebenfalls verneigen. Fazit: Ein grandioser Abend, der zeigt, wie kraftvoll Männer auch aus dem Hintergrund nach vorne treten können, wenn sie es verstehen, unseren Träumen und Erinnerungen musikalische Nahrung mit so süßem Honig zu geben. (Peter Geiger)