powerconcerts
turmtheater

5/8erl in Ehr’n

Kritik zum Konzert am 28. Juli im Thon Dittmer Palais in Regensburg

Das Einfache, das gar nicht so einfach zu machen ist – das Quintett aus Wien trägt beim Auftakt des diesjährigen Klangfarbenfestivals zum Seelenheil des Publikums bei und wiegt es in Glückszustände

Fangen wir einfach ein bisschen kompliziert an – keine Angst, es wird dann im Nachgang gleich simpler: Aber wer verstehen möchte, wie dieses hosenträgertragende Quintett, das seit 17 Jahren schon auf den an Sonderzeichen so reichen Bandnamen „5/8erl in Ehr’n“ (im Web übrigens: 5achterl!) getauft ist, wie diese Combo also seinen, nein, ihren Wiener Soul fabriziert, sollte sich einfach das Cover des jüngsten Albums „Live in der Wachau“ anschauen. Da ist ein Schmetterling abgebildet. Jenes Tier also, das in Kunstdiskursen wie kein anderes stellvertretend dafür steht, dass es das Schlussglied einer Metamorphose bildet – und damit jenes in der Natur vorherrschende Prinzip verkörpert, dass Wesen über jene Fähigkeit verfügen, sich aus einem Zustand komplexer Verpuppung zu entwickeln, hin zu Schönheit und Leichtigkeit.

Zurückgelehnt und hoch das Bein

Jetzt muss allerdings, um der Wahrheit die Ehre zu geben, noch hinzugefügt werden, dass dieser Schmetterling hier auf dem gemeinsam mit dem Jazzorchester Vorarlberg eingespielten Album ein rechtes Mischwesen ist, eine Chimäre, deren Flügel aus salzbrezelartigem Gebäck bestehen. Das Köpfchen, mit den Fühlern dran, aus einer Peperoni. Und der Korpus wiederum aus gesurtem – für alle Nichtösterreicher und Nichtbayern: gepökeltem – Schweinebauch. Und zwengs der Farbgebung ist über das essbare Viecherl auch noch ein bisschen Schnittlauch drübergestreut und klein gehackte Radieserl-Würferl. Ja, ja, das ist ziemlich kapriziös und bestimmt ganz arg g‘spinnert – weist uns aber sogleich den Weg hin zum an Intarsien und Mustern so reichen Klang dieser Band, die sich hier im ziemlich ausverkauften Arkadenhof des Thon-Dittmer-Palais knapp zwei Stunden lang pudelwohl wie im Proberaum zu fühlen scheint. Man braucht sich nur den dauergrinsenden Hanibal Scheutz (sein Vater Wilfried war übrigens auch schon integraler Bestandteil des Austropop und liebte den Südwind wie auch die Highdelbeeren) anzuschauen, der dem Klang seines Kontrabasses die Bedeutung eines dicken, wasserunlöslichen Edding-Stifts verleiht. Oder den sehr gmiatlichen Pianisten Clemens Wenger, der sich bei Höchstschwierigkeiten erst mal zurückzulehnen scheint und durchwegs sein linkes Bein hochlagert, als säße er zeitunglesend im Kaffeehaus, auf dem Klappständer seines so formidabel jazzig klingenden CP-Keyboards von Yamaha. Ganz am Rand wiederum ist die grandiose Gitarristin Miki Liebermann zu sehen, die von ihrem einstigen Chef Kurt Ostbahn mit dem ihren Ruf als Ausnahmegitarristin verstärkenden Ehrennamen „Lilli Marshall“ geadelt wurde – und die mir nach Konzertende gut gelaunt ins Ohr flüstert, dass sie George Benson-Assoziationen für zu weit hergeholt hielte, aber dass wir uns gerne auf die Funkyness von Johnny „Guitar“ Watson einigen könnten, was ihr gleichermaßen mannschaftsdienliches wie im richtigen Augenblick auch extrovertiertes Spiel anbelangt.

Sängerknabenhafte Harmonie

Und jetzt ist noch gar nichts gesagt, über diese beiden formidablen Figuren im Zentrum, über den wie die Reinkarnation des Qualtinger’schen Herrn Karl wirkenden Robert Slivovsky (immer ein bisserl misanthropisch und schlecht gelaunt – aber was für ein Schmähführer vor dem Herrn!) und seinen ebenso slimmen wie fitten Kollegen Max Gaier (der so spindeldürr ist, dass er die Hosenträger braucht, dass nichts ins Rutschen gerät): In sängerknabenhafter Harmonie rühren sie ihre vielstimmige Melange an, aus Hommage und Persiflage – und rühren damit wiederum das Publikum zu Tränen. Denn alles, was sie da an diesem Abend im Angebot haben, ist von so einer melancholischen Wucht und wehmütigen Energie, dass es einem Angriff auf jene Hirnregionen gleichkommt, in denen Sentimentalität und das Wissen um die Vergänglichkeit alles Schönen wurzeln. Als Gegenprogramm drehen sie sich eine „Siaße Tschick“ (gut, dass bei dieser Zigarette kein das Betäubungsmittelgesetz vollziehender Vertreter der Polizei in der ersten Reihe sitzt), verneigen sich präzise rappend vor ihrem Heimatland, auf das sie stolz sein können, weil ein Nationalheiliger wie Skistar Hermann Maier „nicht homophob“ ist. Thematisieren den Willen zur totalen Message-Control des mittlerweile gestürzten Kanzlers Sebastian Kurz mit einem beatlesken „Yeah yeah yeah“, bevor sie dann aufrufen, zum „Badeschluss“. Wiens schöne blaue Gewässer, sie laden ja auch zum Schwimmen ein, in Institutionen, die „Gänsehäufel“ heißen oder „Krapfenwaldlbad“ – und dort ist es immer dann vorbei, „wo der Tag die Nacht begrüßt“. Und genau an jener Kante ist auch dieser am Doo Wop-Gesang geschulte und um Reggae und kubanische Rhythmen angereicherte Soul, der tief im Wiener Lied gründet, angesiedelt und vernäht. Hellwach – und gleichzeitig in traumwandlerischer Sicherheit vorgetragen. Nach zwei Zugaben und einer formidablen Verkaufsshow als showtechnisches Flucht-Achterl ist dann aber endgültig: Schluss. Und alle, die beim Auftakt zum Klangfarbenfestival dabei waren, lächeln sehr sehr selig. Wie einfach sich doch auch die ganz und gar nicht unkomplizierten Gefühle musikalisch auf den Punkt bringen lassen! (Peter Geiger)