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In’terview

Gentle Giant

Das Album für den August 2023 in der Reihe „from the vaults – vor mehr als vier Jahrzehnten erschienen, und kürzlich wieder veröffentlicht! Hubert Geue hat es nochmal durchgehört und eine *****/* Bewertung abgegeben!

„In’terview“ war das achte Album der genialen 70ies-Progrocker GENTLE GIANT, das ursprünglich im April 1976 das Licht der Welt erblickte. Gleich mal vorab: Ich kann mir kaum verkneifen, die Band für ihre ausgefallene und einzigartige Musik über den Schellenkönig zu loben. Wenn man über komplexen und genialen Artrock spricht, kommt man an GENTLE GIANT nicht vorbei; auch wenn die Band immer etwas im Schatten von GENESIS, YES, ZAPPA oder DEEP PURPLE stand. Kein Wunder, denn die – für viele zu vertrackte – Musik der Shulman-Brüder ist weder radiotauglich noch leichte Kost. Die sanften Giganten verwendeten komplexe klassische Akkord- und Taktmuster zusammen mit Hardrock, Blues, Jazz, mittelalterlichen Melodien und überrraschten vor allem mit unvorhersehbaren Breaks, was sie von anderen progressiven Gruppen ihrer Zeit bzw. seitdem unterscheidet. Auch fehlte der Band ein echter Hit, wie z.B. „Bobby Brown“ von ZAPPA oder der Platz 1-Hit „Black Night“ von DEEP PURPLE. Was ihnen höchstwahrscheinlich schnuppe war, denn der Schwerpunkt lag auf den Langspielplatten, die oft liebevoll gestaltet waren, wie z.B. das wunderbare Gimmick-Cover ihres Meisterwerks „In a Glass House“ von 1973. Musikalisch waren die Jungs unschlagbar. So spielte die Band im Studio auf über 30 Instrumenten und alle fünf Musiker sangen (mehrstimmig). Die ersten LPs kamen auf dem legendären Progrock-Vertigo Swirl-Label heraus, das passte einfach. „In‘terview“ ist in meinen Augen das (vor)letzte wirklich beeindruckende Album der Band, nach dem nächsten Album „The Missing Piece“ ging es in seichtere Gewässer. Die Plattenfirma Chrysalis machte Druck in Richtung Vereinfachung bzw. in Richtung straighter Rockmusik, denn „In‘terview“ war und ist nun wirklich schwer verdaulich, da gibt es keine einfachen Melodiebögen, keine Chance das als Background-Musik laufen zu lassen. Von den genialen ersten zehn Alben ist dieses Konzeptalbum in meinen Ohren das schwächste, auch wenn man einige starke Tracks findet. Der preisgekrönte Produzent und Musiker Steven Wilson hat sich nun (nach dem deutlich besseren Album „Free Hand“) dieses Album vorgenommen, und dem Remix von „In’terview“ seine feine Note verliehen. Die  klangliche Bandbreite und sein sorgfältiges Augenmerk auf die Klangqualität lassen „In’terview“ heute so frisch klingen wie bei der Erstveröffentlichung. Steven hat „In’terview“ in Dolby Atmos, 5.1 Surround Sound und Stereo neu abgemischt, begleitet von individuell animierten Bildern für jeden Track. Zusätzlich sind der Original-Quad-Mix von 1976 und ein Instrumental-Mix enthalten. Wer die Band noch nicht kennt, sollte unbedingt das fantastische Album „Free Hand“ von 1975 antesten. (Chrysalis)