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Earth, Wind & Fire Experience by Al McKay

Kritik zum Konzert am 22. Juli bei den Schlossfestspielen in Regensburg

Die um ihren Namensgeber dezimierte Band vermittelt eine Ahnung von der Größe der Originale – liefert aber doch nur einen Abklatsch!

Von Anfang war klar: Die Band, die da am Samstagabend auf der Bühne der Schlossfestspiele stehen wird, das sind nicht die „echten“ „Earth, Wind & Fire“! Denn diese mutmaßlich größte und innovativste Funkband der Neunzehnsiebzigerjahre, sie ist gerade gemeinsam mit Lionel Richie in den USA unterwegs. Und gastiert laut Homepage in der ersten Augusthälfte in Chicago, Boston und New York.

Der Anspruch also, diesen Geist auch hier in Regensburg halbwegs authentisch vertreten zu können, den begründet die 13-köpfige Band mit ihrem etwas komplizierten Namen: Sie nennen sich in den USA die „Al McKay Allstars“ und in Europa „Earth, Wind & Fire Experience by Al McKay“. und zwar deshalb, weil der Namensgeber – ein Gitarrist, der von Experten in einem Atemzug mit dem großen Nile Rodgers genannt wird – bis 1981 (also in jenem Jahr zwischen der Geburt der Gloria-Töchter Maria Theresia und Elisabeth) tatsächlich integraler Teil der Band war. Sie aber in jenem Augenblick verließ, als sich der ganz große Erfolg nicht mehr einstellen wollte.

Eines der Probleme an dieser „Saturday Nite“ (so ein früher Klassiker der Band vom 1976er-Knaller „Spirit“, der hier auch angetippt wird) besteht darin, dass der Namensgeber gar nicht mit auf der Bühne steht – und sein Fehlen dem Publikum auch nicht mitgeteilt wird. Fragt man in der Pause beim Veranstalter ODEON-Konzerte nach, wird man zunächst drauf verwiesen, er sei sehr wohl auf der Bühne, spiele heute aber Bass. Erst nach insistierendem Hinweis, dass es sich bei dem Mittsechziger James Manning unmöglich um einen 75-Jährigen handeln könnte, führt einige Minuten später zum zähneknirschend vorgebrachten Eingeständnis, ja, Al McKay, der sei heute tatsächlich erkrankt. Aber – so wird dann noch spitzfindig hinterhergeschoben – im Bandnamen heiße es ja schließlich „by“ und nicht „with“. Womit klar ist: Juristisch soll alles wasserdicht sein. Da wird das Publikum also, das für die Tickets zwischen 98 und 139 Euro gezahlt hat, an der Nase herumgeführt, mit einer veritablen Mogelpackung.

Trotzdem: Der Rezensent würde sich seinerseits nun versündigen, konzentrierte er sich in seiner Bewertung ausschließlich auf solche störenden Haarbüschel in der Soulsuppe. Und es wäre tatsächlich der Tatbestand schuldhafter Unterlassung erfüllt (und er liefe Gefahr, vom in vorderster Reihe sitzenden Richter am US-Supreme Court, von Samuel A. Alito Jr., stante pede abgeurteilt zu werden), erwähnte er im Gegenzug nicht, dass das Programm dann doch auch recht dynamisch war. Und dass, spätestens in der zweiten Hälfte, viele der auf den Rängen Platzierten im wahrsten Wortsinne nach vorne gingen. Weil sie sich dem unmittelbaren Zwang zur Bewegung, der von diesen im Original mit nähmaschinenartiger Präzision konzipierten Songs ausgeht, kurzerhand nicht entziehen konnten. Das Oeuvre von „Earth, Wind & Fire“, das ist eine einzige Schatzkiste: So starten sie auch mit dem ziemlich grandiosen „Serpentine Fire“ vom 1978er-Klassiker „All’N All“, um dann sogleich die vierköpfige Bläser-Sektion von der Leine zu lassen und dem Posaunisten Shaunte Palmer die Möglichkeit zu eröffnen, zu zeigen, wie tief diese Klassiker, die den Weg ins „Boogie Wonderland“ weisen, zugleich im Jazz wurzeln. Das geht auf hohem Niveau vor der Pause eine Stunde lang – bevor dann im zweiten Set die Nachladegeschwindigkeit erhöht wird und Klassiker wie „In the Stone“, „Fantasy“ oder „September“ im „Stars on 45“-Modus meist nur noch für eineinhalb Minuten angetippt werden und „Let’s groove“ als Zugabe nachgereicht wird. Bei den für Schwindel sorgenden Fanfarenstößen, die „Shining Star“ oder „Getaway“ begleiten, zeigt sich, dass die Bläser-Sektion zwar den champagnerhaft perlenden Phenix-Horns (jener an die Band angeschlossene Truppe, die in den 1980er Jahren Hits von Genesis und Phil Collins veredelten) in Sachen scharfer Stakkato-Läufe nicht ganz das Wasser zu reichen vermag – aber doch jene Spritzigkeit erreicht, die einer guten, mit Sprudel gestreckten Weißweinschorle innewohnt. Enttäuschend dagegen Gitarrist Greg Moore. Eigentlich wäre er nur für die Rhythmus-Arbeit zuständig, jetzt aber, da der Chef fehlt, erweist er sich als Solist überfordert. Und auch die gesangliche Leistung muss kritisch beurteilt werden: Waren beim Original mit Maurice White (der vor sieben Jahren starb) und Philip Bailey (der mittlerweile 72-Jährige landete mit „Easy Lover“ einst einen Welthit) zwei extraordinäre Könner am Werk, die ihrerseits vier Oktaven auseinanderlagen und damit die Dimensionen des Raums vermaßen, in dem die immer nach Zukunft schreienden messerscharfen Sounds untergebracht waren – so improvisiert sich das Gesangstrio, bestehend aus Tim Owens, Devere Duckett und Claude Woods im nicht einmal Plagiatsqualität erreichenden Stil etwas täppisch und altväterlich durchs Programm. Aber klar: 2023 ist nicht 1981. Und wäre das Line-up offen kommuniziert worden, man wäre noch viel zufriedener mit dem, was hier im Schlosshof knapp zwei Netto-Stunden lang zu kriegen war. (Peter Geiger)