Man muss im Deutschen schon ganz genau hinhören, wenn über eine Person gesprochen wird und dabei nur Artikel und Nachname genannt werden: Ein locker hingeworfenes „Die Merkel“ oder „Der Tuchel“, das kann Ausdruck von Respekt sein. Aber eben auch von Missachtung. Wenn die Regensburgerin Rebekka Maier aber von ihrer Kunstfigur spricht und beispielsweise im Radio auf Bayern 2 im Interview bei „Eins zu Eins“ erzählt, dass „Die Nowak“ zuletzt ein Album aufgenommen hat, dann klingt und schwingt da nicht nur eine riesengroße Portion Hochachtung mit. Sondern auch diskrete Distanz.
„Die Nowak“, ja, ja, die ist ganz anders als die Rebekka Maier. Dabei gleichen sich die beiden wie eineiige Zwillinge. Und sind gar nicht voneinander zu trennen. Die eine ist ohne die andere nicht vorstellbar. Aber während sich Rebekka Maier selbst als „schüchtern“ bezeichnet und auch als „zurückhaltend“, als eine, die sich während ihrer Realschulzeit in Neumark eben nicht in der „Schulband“ austobte, sondern ihr von den Eltern gefördertes frühmusikalisches Talent ausschließlich in der „Flötengruppe“ pflegte, da winkt „Die Nowak“ schon mimik- und gestenreich, um sich als Mitglied im „Verein für deutliche Aussprache“ auszuweisen. Weshalb ihr seit letzter Woche vorliegendes Album „Steinige Grüße von der grenzenlosen Wiese“ auch mit dem schönen Satz beginnt: „Ganz Wien sieht Deinen Arsch / wie er am Fenster blüht“. Um dann in den nachfolgenden fünf Song-Minuten diesem sich als Larifari entlarvt habenden Larry nach allen Regeln argumentativer Kunst nahezulegen, warum es jetzt Zeit ist, dass er sich schleichen soll. Ganz ähnlich, Song Nr. 3 – zugleich ihre aktuelle Single, die in rotziger Punk-Attitüde daherkommt. Darin wird demjenigen, der ehemals Träger des Ehrentitels „Mein Bester“ war, aus tiefster Seele anempfohlen: „Halt die Schnauze / sonst gibt’s Gaffa um die Fresse!“ Na, wenn der Satz nicht das Zeug hat, zum geflügelten Wort aufzusteigen?
Ja, ja – „Die Nowak“, sie ist ziemlich exaltiert und leidenschaftlich. Was man übrigens auch am Album-Cover sehen kann, das daherkommt wie ein sanft gefiltertes Frühsiebzigerteil, auf dem in Riesenlettern der Name der Künstlerin wie auch eine Auswahl der besten Songs draufsteht. Und das eine mondäne Frau in Hildegard Knef-Ästhetik zeigt, die Turban trägt, zu einem bunten Hollywood-Kleid. Und die sich ein wenig schüchtern vor floraler Kulisse herumdreht und, gleichermaßen überrascht wie ironisch, in die Kamera blickt – mit Augen, die zu sagen scheinen: ‚Huch, Du Lümmel, bist Du auch schon wieder da?‘ Aber ihr Spektrum, das ist viel breiter. Sie kann viel mehr, als schnoddrig und zynisch. Wenn sie was mag, „Die Nowak“ – dann wird auch der Romantik gehuldigt. Und zwar in vollen Zügen. Im wunderschönen Abschluss-Song des Albums, dem großformatig instrumentierten „Bitte bleib“, da führt sie uns vor, dass die Liebe nicht nur etwas ist, dessen wir verlustig gehen können. Sondern: Wird sie wiedergewonnen, bietet sie die Basis dafür, dass sich die Gemeinsamkeit mit diesem „Du“ zu etwas Neuem „verweben“ lässt. Was sich obendrein aufs gemeinsame „Leben“ reimt.
Trotzdem: Als Rezensent müsste man sich auf ewig dem Vorwurf ausliefern, nicht genau hingehört zu haben, würde man dieses fantastische Debüt allein auf die Lieder über verlorene und wiedergewonnene Liebe reduzieren. Die mit „Wattestäbchen & Strohhalme“ wie auch dem von Live-Auftritten sattsam bekannten „Schottergärtner“ hat „Die Nowak“ auch engagierte Songs an Bord, mit denen sie ihre pianospielenden Finger (wie sie nachdrücklich im Radio betont) in die ökologischen Wunden unserer Zeit legt. Und so beweist, dass ihr Glück eben nicht von der eigenen Seelenbefindlichkeit allein abhängt – sondern dass auch die Bedingungen, unter denen wir, die Menschheit, leben, nicht nur krisenanfällig sind, sondern auch glücksfähig.
Die Qualität dieser Regensburger Sängerin ist, wie gesagt, auch schon bei Bayern 2 angekommen, weshalb sie dort letzte Woche als „Musikfavoritin“ gefeiert wurde. Und auch Hannes Ringlstetter wurde auf sie aufmerksam: Im Sommer tritt sie bei ihm im Vorprogramm auf, in Nürnberg im Serenadenhof (6. Juli), in Passau beim Eulenspiegel-Festival (20. Juli) und auf der Burg Trausnitz in Landshut (6. August). Aber auch hier bei uns in Regensburg wird sie zu Gast sein – ganz groß im Doppelkonzert mit Sarah Straub beim Palazzofestival (4. August) und ganz intim im Statt-Theater, am 15. Dezember. (recordJet) Peter Geiger
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