turmtheater

Alles Schwindel

Premiere am 20. Mai im Antoniushaus

Musikalische Burleske von Mischa Spoliansky und Marcellus Schiffer
Weitere Aufführungen am 23., 24., 26., 27., 30. Mai, im Juni und Juli

„Velodream“ steht auf dem großen Schild an der Bühne im Antoniushaus und gibt einen Fingerzeig auf das, was die Zuschauer in den nächsten zweieinhalb Stunden erwartet. Am Anfang steht erst mal das Date von Evelyne und Tonio, und was passt besser zum Titel des Theaterstücks als die Angaben in einem Dating-Portal: Alles Schwindel. Ebenso wie geschönte Angaben in Verkaufsportalen oder in den Texten, die uns eine KI auf dem Smartphone serviert. Und der Begriff der „Alternativen Fakten“ dürfte seit der Wahl eines bestimmten amerikanischen Präsidenten hinlänglich bekannt sein. Allerdings wurde die Burleske „Alles Schwindel“ bereits 1931 in Berlin uraufgeführt und begeistert von Publikum und Kritik aufgenommen, die endlich wieder eine „einheimische Produktion“ auf der Bühne sehen wollten. Librettist Marcellus Schiffer und Komponist Mischa Spoliansky setzten mit scharfzüngigen Dialogen eingängigen Melodien ihre erfolgreiche Zusammenarbeit fort und sie schufen diesen flirrenden Parforceritt zwischen Schein und Sein, Absurdistan und Realität.

Nach dem Date der beiden Hauptfiguren Evelyne (Natascha Weigang) und Tonio (Jonas Julian Niemann), die sich als reiche Erbin und Fabrikbesitzer ausgeben, ist ihr gemeinsames Abenteuer gleich wieder zu Ende – Tonio crasht das Luxusmobil, in dem sie unterwegs waren. Kleinlaut gestehen sich beide, dass sowohl Fahrzeug als auch Garderobe nur „geborgt“ seien, und sie müssen versuchen, den Schaden irgendwie auszugleichen. Sie kommen in eine Bar, in der den Gästen Verbrechen vorgespielt werden, geraten an eine Hehlerin, die kein Geld für die angebotene Kette übrig hat und werden zu einer noblen Gesellschaft geschickt, in der alle Beteiligten pleite sind und „auf Pump“ leben, bis am Ende der turbulenten Story ein ebenso überraschendes Happy End  steht – oder etwa nicht?

Diese rasante Handlung wird von Antje Thoms mit den beiden Ausstattern Jan Hendrik Neidert und Lorena Diaz Stephens furios in Szene gesetzt. Sprechblasen im Wald und rempelnde Bäume, ein Comic-Schaukampf mit Plastikhammer und –beil in der Verbrecherkneipe und überdimensionierte gelbe Schleifen an der Abendgarderobe der ach so feinen Gesellschaft bringen eine absurd bunte Revue auf  die Bühne im Antoniushaus. Die Schilder mit der Aufschrift „Bla bla bla“ stehen am Beginn des zweiten Akts nach der Pause. Fast wäre die gähnende Langeweile, in der sich die protzige Gesellschaft angesichts der Verlobungsfeier ergeht, an dieser Stelle in die Aufführung eingesickert, aber noch rechtzeitig  nimmt die Handlung wieder Fahrt auf.

Die Band unter der Leitung von Thomas Basy interpretiert die Musik der „Roaring Twenties“ spritzig und mitreißend, die Melodien bleiben im Ohr, nicht zuletzt, da das Ensemble mehrstimmige Gesangssätze im Stil der „Comedian Harnonists“ einwandfrei vorträgt. Schnelle Kostüm- und Szenenwechsel gelingen den weiteren acht Darstellern mit den maskenhaft geschminkten Gesichtern souverän und ermöglichen eine spritzige Aufführung.

„Eine echte Wiederentdeckung mit aktueller Story, ein rasanter Kostüm-, Musik- und Tanzabend mit Songs, die im Ohr bleiben“, so ist im Programmheft zu lesen. Diese Regensburger Erstaufführung über Wahrheit, Lüge, Täuschung und Schein ist so aktuell wie zur Zeit ihres Entstehens. (arm)

Fotokredit: Tom Neumeier Leather