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Tanquoray

Live-Premiere am 6. Mai in Schönsee

Ein Must-See: Soulliebhaber, die es verstehen, Leidenschaften zu wecken!

Schließt man die Augen, dann könnte man auch meinen: Die beiden Tenorstimmen, die da zu hören sind, das sind doch Sam & Dave. Denn was hier in Schönsee, in der alten Kinderverwahranstalt in der Eslarner Straße, die der aus Amberg stammende Funk- und Soul-Experte Toby Mayerl vor einem guten Jahr gekauft und übernommen hat, was hier im großen Saal im ersten Stock von seinem neuformierten Trio „Tanquoray“ zu hören ist, das sind zwar keine Coverversionen der beiden Soulmen, denen es in den späten 1960er Jahren mit ihren Miniaturen (an die auch der unvergleichliche Isaac Hayes seine Feder angelegt hatte) gelang, die Popwelt immer wieder für Zweiminutenfünfzig aus den Türangeln zu heben. Nein, was das Gesangsduo Michael „Michon“ Deiml und den Neuen im Bunde, Sebastian Hofbauer, so außergewöhnlich macht und auszeichnet, das ist die Harmonie der beiden. Obwohl der eine doppelt so alt ist wie der andere, klingen sie wie Seelenverwandte, ja, eigentlich wie eineiige Zwillinge. Und lassen so den Weggang von Dolo Lee schon wieder fast vergessen, jenes Ausnahmevokalisten aus den USA, der in Sulzbach-Rosenberg lebt, nunmehr aber im hochklassigen Profibereich untergekommen ist und mit einer Coverband weltweit unterwegs ist.

Dass kein Missverständnis aufkommt: Auch „Tanquoray“, sie sind Profis – und an seiner Klasse lässt das Trio hier im Wohnzimmer von Toby Mayerl weder Skepsis noch Zweifel aufkommen. Allein die Songauswahl zeigt, wie ernst es ihnen ist, mit ihrem Schaffen und Wirken, das selbstredend in erster Linie auf Unterhaltung zielt – aber eben nicht auf die platte Art: Da begegnen mit bestem Geschmack ausgewählte Klassiker wie Elton John’s „I guess that’s why they call it the Blues“ unverdient in Vergessenheit geratenen Genre-Vertretern wie King Floyd’s „Groove me“, einem Titel, der 1971 zwar bis auf Platz 6 der Soulcharts hochschoss, aber offenbar auch den beiden leicht illuminierten Herren in der letzten Reihe kein Begriff ist, plärren sie doch unablässig lachend „Pink Floyd“ in Richtung Bühne. Dabei hat dieser Song die Macht und die Kraft, Tote zum Leben wiederzuerwecken – jedenfalls meint man auch in der hier dargebotenen Live-Version, einer Reinkarnation von Otis Redding’scher Dimension beiwohnen zu dürfen. Zwischenrein, immer wieder: Eigenkompositionen, die sich – und das hat nichts Gönnerhaftes, sondern ist die reine Wahrheit – auf Augenhöhe mit dem Fremdmaterial bewegen.

Toby Mayerl, der sich pudelwohl zu fühlen scheint, hier, wo einst der Rand der Welt war und heute die Grenze zu Böhmen mit offenen Armen aufwartet – er ist nicht nur Pianist der Extraklasse, er ist komplett mit der History der Black Music vertraut. Hört jeden Tag, wie er kürzlich in einem Podcast erzählte, ein Miles Davis-Album. Und liebt nicht nur – wie alle – den handgemachten Soul der Sechziger, sondern findet sich auch meisterhaft zurecht, in den vermeintlichen Spätphase, als in den achtziger Jahren die Bläser und die Drums schon elektronisch wurden. Diese Passion, diese Leidenschaft – sie überträgt sich auch auf die beiden anderen. Michael Deiml, den Mayerl „michon“ und der Rest der Welt „Michl“ nennt, er scheint ohnehin ein von Mutter Natur mit allen musikalischen Gaben Ausgestatteter zu sein. Und tanzt leichtfüßig durch die Songs, sitzt wie einst Phil Collins hinter seiner Schießbude und singt engelsgleich. Sebastian Hofbauer war als Kind beim Michl schon in er Musikschule und lernte von ihm die rhythmische Grundausstattung. Dann verlor man sich aus den Augen, bis sie sich – so will’s die Legende – im Januar bei Yorma’s am Bahnhof in Amberg zufälligerweise über den Weg liefen. Sebastian erzählte dem Michl, dass er mittlerweile Bassist sei, bei den „Outsiders“, einer Rockabilly-Band aus Amberg – und dass er da auch als Sänger tätig sei. Dass er sich aber wünsche, Profi zu werden, weshalb er sich über zusätzliche Jobs freue.

Das Happy End dieser Wiedersehens-Geschichte können an diesem Samstagabend knapp einhundert Schönseer und angereiste Amberger begutachten: „Tanquoray“, die sich völlig zurecht die „Orange Soul Sensation“ nennen, sie sind nicht nur brillant eingespielt, sie präsentieren sich sympathisch, locker und in bester Laune. Eine gute Basis für das, was sie jetzt nach der überwundenen Corona-Durststrecke vorhaben: Nämlich durchstarten. Live im gesamten deutschsprachigen Raum. Und für den Herbst ist auch ein neues Album angekündigt. Musik von Liebhabern der Soulmusik, die es ihrerseits verstehen, Leidenschaften zu wecken! (Peter Geiger)