altemaelze

dahoam is wo andas

Sparifankal

Mit “Sound-Report: Platten aus der Region” gibt’s auf der “er-em-online”-Homepage eine Rubrik, die sich Veröffentlichungen aus der Region widmet, die in den letzten Jahren erschienen sind. Einzige Voraussetzung ist, dass diese Longplayer oder CD’s schon mindestens zehn Jahre alt sind, also für heuer mindestens vor 2013 veröffentlicht wurden. Im Mai sind Sparifankal mit ihrer 2004 erschienenen letzten Scheibe dran, schließlich wirken da auch Regensburger Musiker mit.

Die frühen 70er Jahre in Deutschland. Krautrock ist angesagt. CAN, GURU GURU, KRAAN, AMON DÜÜL II, KRAFTWERK, EMBRYO oder TRIUMVIRAT feiern nationale, wie internationale Erfolge, es wird eigenständige, ja teilweise kolossal originelle Musik geboten. Und die TON STEINE SCHERBEN boten den passenden Soundtrack zur Auflehnung gegen die Etablierten dazu. Ja, und da waren auch noch SPARIFANKAL (altbayerisch für „kleiner Teufel“ oder „aufmüpfiges Kind“) aus Bayern, die eigentlich nicht so recht in eine bestimmte Szene passten – musikalisch und vom Spirit her schon gar nicht.

Gegründet wurden SPARIFANKAL 1972 von Carl Ludwig Reichert (Gitarre, Gesang), Tillmann Obermeier (Gitarre, Gesang) und Jan Dosch (Bass). Diese Band war schon independent, bevor dieses Wort in Deutschland überhaupt eine Bedeutung hatte, und mit ihrer DIY-Attitüde, sowie den großartigen lyrischen Ergüssen waren die Oberbayern schon damals mehr Punk als die meisten Bands heutzutage. Diese „Sparis“ waren nicht nur Musiker – Till Obermaier erfand das Wort „Rübelmusik“ für den bayerisch-bluesigen Freistil -, sie waren auch Poeten, Philosophen, Philologen, Psychologen und Pädagogen. „Mir san ja am Anfang eher so über die ‚Artie Fartie‘-Szene neikumma“, erinnern sich die Sparifankal-Gründer Carl Ludwig Reichert und Till Obermaier-Kotzschmar in einem Interview für den BR vor einigen Jahren – und meinen damit die Avantgarde-Kunstszene, Gammler- und Hippietum, politisch-soziales Engagement. Das alles gehörte damals in München zusammen. Als sich der musizierende Kunststudent Till und der bereits bayerisch poetisierende Altphilologiestudent Carl Ludwig durch Vermittlung des linksalternativen Sängers und Produzenten Julius Schittenhelm zusammenfanden, entstand daraus mehr als die erste – und zwischenzeitlich legendäre – bayerische Blues-Band: Ein ganzer Kosmos mit Namen „Sparifankal“ wurde geboren. Die „Sparis“ waren nicht nur Musiker, sie waren auch Poeten, Philosophen, Philologen, Psychologen und Pädagogen. Mit dem Namen von SPARIFANKAL ist auch die Gründung eines der ersten deutschen Independent-Labels untrennbar verknüpft: Schneeball Records, die wohl die Ersten waren, wo nicht irgendwelche Produzenten oder Manager, sondern die Musiker selbst alles in die Hand nahmen.
SPARIFANKAL sangen von Anfang an nicht in Englisch oder gar in Hochdeutsch, sondern so, wie ihnen der Schnabel gewachsen war, auf Bayrisch. Carl Ludwig Reichert dazu in der ‚Sounds‘-Ausgabe 6/76: „Unsere Sprache ist bayrisch. Sie ist differenzierter, wenn es darum geht, Gefühle und Erfahrungen auszudrücken, aber auch direkter und konkreter, sinnlicher vor allem, wenn wir auf Realitäten hinweisen wollen.“ 1976 erschien dann die erste LP mit dem unmissverständlichen Titel „Bayern-Rock“. Songs wie der „Bluus fo da peamanentn Razzia“, „De Groskopfadn“, „Da Braune Baaz“ oder „Wans ums farecka nimma ged“ sind auch heute noch, bald 50 Jahre später, genauso aktuell wie „Keine Macht für niemand“, „Der Rauch Haus Song“ oder „Ich will nicht werden, was mein Alter ist“. Leider löste sich die Band nach dieser Scheibe erst einmal auf, die üblichen musikalischen Differenzen machten auch vor ihnen nicht halt. Carl Ludwig verließ die Band als erster, die anderen machten noch bis Winter 1976 weiter, dann war Sendepause. Im Herbst 1977 übt man neue Stücke für die zweite LP ein. Die erscheint dann 1978 unter dem Titel „Huraxdax Drudnhax“ (der bezieht sich auf einen Abzählreim, das Wort „Drud“ ist altbayerisch und bedeutet „Hexe“). Im Vergleich zur „Bayern-Rock“ fällt der Zweitling doch deutlich anders aus, kein Rock mehr, sondern im Großen und Ganzen rein akustischer Blues/Folk mit den wie erwartet großartigen Texten dominiert die ganze Scheibe. In Songs wie „De greana Fliang“, „Koid weadz“, dem punkigen „D’Schui brennt“ oder „Nix is aso“ werden wieder auf unvergleichliche Weise bayerische Zustände besungen, die sich aber locker und leicht auf den Rest der Republik ummünzen lassen. Die Texte sind wie üblich satirisch und nihilistisch. Es dauerte wiederum fast drei Jahre bis zu einer weiteren Platte. 1981 kam dann die dritte und lange Zeit letzte Doppel-LP „Negamusi“ in die Läden. Soundmäßig tendierte man wieder mehr in die Ecke von „Bayern-Rock“, jedoch haben Anfang der 80er Jahre Punk, New Wave und frühe NDW ihre deutlichen Spuren hinterlassen. Nach dieser Scheibe herrschte für lange Zeit Funkstille im Hause SPARIFANKAL. Vor allem Carl Ludwig blockierte irgendwelche Revival-Versuche, da man nicht wie diverse andere alte Männer auf der Bühne enden wollte. Doch 23 Jahre nach ihrer letzten Platte erschien 2004 ziemlich überraschend eine neue Scheibe mit dem Titel „Dahoam is wo andas“ auf Schneeball Records, die insgesamt vierte Scheibe von SPARIFANKAL in 33 Jahren.

Und dieses Album ist interessant, weil neben Carl Ludwig Reichert, Till Obermaier-Kotschmar, Jan Dosch und Ulrich Bassenge auch die beiden Musiker Anton „Judy“ Seutter und Roland Duckarm mit im Studio waren. Deshalb gibt’s dazu auch die Kritik von Peter Geiger, die er 2004 veröffentlichte.

Die Jüngeren unter uns werden sich vielleicht nicht mehr erinnern: Aber auch in Bayern gab’s mal eine Opposition. Doch weil sich bei den letzten Landtagswahlen der vermeintliche Wahlmagnet Maget als Minuspol erwiesen hat, kann seither Zweidrittelkönig Edmund schalten und walten, wie Erwin will. Gut, dass es noch Menschen wie Carl-Ludwig Reichert gibt: „Ich habe mich immer als Opposition begriffen!“ sagt er. Egal, ob als Moderator in Bayern2Radio, als Buchautor oder als einer der Köpfe beim Kollektiv von „Sparifankal“: Diese Legende bayerischen Liedermachertums, die auf ihrem Hof im Landkreis Altötting nach mehr als 20-jähriger Pause wieder zusammen gefunden hat, präsentiert nun mit „dahoam is wo andas“ ihr neues Album. Darauf versammeln sie grimmige, bärbeißige Anklagen gegen Bush-Amerika (Afghanistan), vermeintliches Land-Idyll (I wach auf in da Friah) oder die Landeshauptstadt, die in ihrer Sichtweise natürlich eine Geldstadt ohne Herz (Minga-Blues) ist. Musikalisch werden diese Weisheiten angerichtet mit Verweisen auf die Säulenheiligen Jerry Garcia und Neil Young, unterstützt von den beiden Regensburgern Roland Duckarm an den Drums und dem auf der Bühne unbesiegten Ex-Punk Judy Seutter (ehemals Tango Pervers und Slagwagon) an der Gitarre. Seinen Gipfel erreicht das Album mit dem Titel „Dahoam“: Da werden wir Bayern zur Melodie der „Internationalen“ zum Aufwachen und zum Aufstehen aufgefordert. Weil dieses Land, dessen freistaatliche Tradition keineswegs auf die regierende Staatspartei, sondern auf den ermordeten Ministerpräsidenten Kurt Eisner zurück geht, mehr verdient hat als bloße Untertanen, also „Hanswuaschdn“ und „Zibfe“: Nämlich „gscheide Baian“! Live am 8. Oktober in der Mälzerei zu sehen! Hi geh! Sunst werd grafft! (Schneeball)