turmtheater

Tom auf dem Lande – Psychothriller von Michel Marc Bouchard

Premiere am 1. April 2023 im Theater Regensburg am Haidplatz

Aus dem Französischen von Frank Heibert
Regensburger Erstaufführung

„Ich glaube, man darf niemals die Wahrheit sagen – niemals“ ist der letzte Satz an diesem spannenden Theaterabend  ím Theater am Haidplatz und schließt eine beklemmende Vorstellung ab. Doch zum Anfang: Tom (Gabriel Kähler) fährt aufs Land zur Beerdigung seines Lebensgefährten, der bei einem Unfall in der Stadt ums Leben kam. In dem abgelegenen Heimatort seines Partners irgendwo in der Provinz trifft er auf dessen Mutter und Bruder Francis, die alleine auf einem Bauernhof leben und nur wenig Kontakt zu den anderen Bewohnern haben, denn Francis (Maximilian Herzogenrath) hat vor Jahren einen jungen Freund schwer misshandelt. Die Mutter (Silke Heise) weiß nicht, dass ihr Sohn schwul war und soll das auch nach dessen Tod nicht erfahren. Angeblich hatte der Sohn in der Stadt eine Beziehung zu einem Mädchen, Sarah (Anna Kiesewetter), die allerdings nicht zur Bestattung  erscheint. Tom wollte eigentlich nach der Beerdigung wieder weg, aber er wird immer mehr in die seltsame Familienbeziehung hineingezogen und gerät in eine Parallelwelt aus Lügen und Gewalt, aus der er nicht mehr herausfindet. Zwischen Francis und Tom entwickelt sich eine gewalttätige und erotisch aufgeladene Beziehung, die in der Abgeschiedenheit immer weiter eskaliert.

Ein Berg von schwarzen Holzkreuzen, wie zufällig übereinander geworfen, liegt auf der Bühne, überragt von zwei aufgerichteten Kreuzen. In diesem Bild inszeniert Jakob Weiss das Kammerspiel mit verstörender Intensität. Dadurch gewinnt das eigentlich etwas stereotype Setting, die Ablehnung bzw. das Nicht-Wahrhaben-Wollen der Homosexualität eines Familienmitglieds, seine dramatische Spannung. Alle vier Schauspieler  beeindrucken in ihren Rollen: Gabriel Kähler zeigt als Tom einerseits die Trauer um den Geliebten, wechselt zwischen Furcht und Faszination gegenüber Francis. Maximilian Herzogenrath spielt Francis beeindruckend ambivalent zwischen Monster und Verletzlichkeit, Silke Heise verkörpert die Mutter als anfangs besorgt um den Gast, bis sie die Fassade durchbricht und endlich die verdrängte Seite von Tom sieht, die sie so lange nicht wahrhaben wollte. Und Anna Kiesewetter ist die prollige Sarah, die zunächst beim falschen Spiel noch mitmacht, aber schnell aus der verlogenen Situation ausbricht.

„Die Verachtung gegenüber Homosexuellen ist kein obsolet gewordenes Thema, wie es manche gern hätten, …“ wird der Autor im Programmheft zitiert. Und „Vor dem Lieben lernen die Homosexuellen das Lügen.“

„Niemals die Wahrheit sagen“ ist die Konsequenz aus falscher Rücksichtnahme, gestörter Kommunikation und den sich daraus entwickelnden „toxischen“ Beziehungen, nicht nur gegenüber Menschen mit anderer sexueller Orientierung. Ein verstörendes, sehenswertes Stück im Theater Regensburg.

Weitere Vorstellungen am 4.4., 6.4., 28.4., 30.4. und Termine im Juni

(arm)