Balladen spielen in der Geschichte der Rockmusik eine ganz besondere Rolle. Einerseits dokumentieren sie die emotionale Seite des Genres und zeigen, dass hinter (fast) jeder harten Rockerbrust ein weiches Herz schlägt. Zudem werden ruhigere Nummern auch in weniger Rock-affinen Radiosendern gespielt – und von den Hörern für ihren gefühlsbetonten Tiefgang geliebt. Und drittens: Balladen sind in einer zunehmend hektischer werdenden Welt oftmals kurze Momente des Innehaltens, des sich Besinnens auf die wesentlichen Dinge des Lebens. Kein Wunder also, dass die Balladen-Compilations der Axel Rudi Pell Band ein absolutes Erfolgsmodell sind, das 1993 mit ‚The Ballads I‘ gestartet ist. Da unter den aktuellen Top-10 der über Spotify meist gestreamten Pell-Songs sich allein neun (!) Balladen befinden, ist es konsequent, wenn jetzt der Bochumer Gitarrist und Songschreiber diese Veröffentlichungsreihe mit ‚The Ballads VI‘ fortsetzt, und wie nicht anders zu erwarten mit einigen kleinen Überraschungen. Insgesamt 13 Balladen „made by ARP“ gibt es darauf zu bewundern. Fünf davon sind brandneu eingespielt, darunter zwei bemerkenswerte Coversongs: Bei „Diamonds And Rust“ handelt es sich um den Klassiker der amerikanischen Folk-Ikone Joan Baez, der bei Axel Rudi Pell eine neue Aktualität erfährt. „Bekanntlich gibt es von ‚Diamonds And Rust‘ bereits eine Judas Priest-Fassung, die natürlich deutlich härter klingt, und eine Version von Blackmore´s Night mit mittelalterlichem Flair“, erzählt Pell. „Mein Ziel war eine Art Mittelding zwischen den zwei folkigen Fassungen und der metallischen Priest-Adaption. Ich finde, unsere Version hat das typische ARP-Flair.“ Gleiches gilt auch für „Dust In The Wind“, dem größten Hit der amerikanischen Rockband Kansas. Bei Axel Rudi Pell glänzt das Stück durch ein besonders intimes Flair: „Wir haben bewusst die Drums weggelassen, um den Song softer und ruhiger klingen zu lassen. Unser Arrangement ist nur auf Gitarre, Keyboards und Gesang ausgelegt.“ Bei den drei eigenen neuen ARP-Balladen handelt es sich um die Instrumentalnummern „Revelations“ und „Hidden Secrets“ sowie den Vocal-Track „Morning Star“, der ursprünglich als Kandidat für die 2024 angekündigte kommende Studioscheibe geplant war. Pell: „Unsere Plattenfirma findet den Song so großartig, dass wir entschieden haben, ihn schon für ‚The Ballads VI‘ freizugeben. Auf das Gitarrensolo im Outro bin ich besonders stolz. Ein echter ‚One-Take‘, der unverändert vom Demo übernommen wurde.“ Bei den weiteren Nummern handelt es sich um die ruhigen Momente der vier zurückliegenden Studiowerke: „Beyond The Light“ stammt von ‚Knights Call‘ (2018), der Song „As Blind As A Fool Can Be“ von ‚Sign Of The Times‘ (2020). Die Tracks „She´s A Lady“, „I Put A Spell On You“ und der Tony Carey-Covertrack „Room With A View“ haben zuvor ‚Diamonds Unlocked II‘ (2021) veredelt, während „Gone With The Wind“, „Fly With Me“ und die Lockdown-Single „Quarantine 1“ auf dem aktuellen Opus ‚Lost XXIII‘ (2022) zu finden waren. Angesichts der neuen Balladen-Compilation zieht Axel Rudi Pell ein kurzes Resümee seiner Entwicklung als Songschreiber und Musiker: „Rückblickend gibt es in den fast 35 Jahren meiner Solokarriere keine einzige Ballade, für die ich mich schämen müsste, ganz im Gegenteil: Einige von ihnen zählen auch heute noch zu meinen Lieblingssongs. Gleichzeitig habe ich mich als Komponist aber natürlich weiterentwickelt. Mit den vielen Erfahrungen wird man automatisch reifer und versierter, was man an ‚The Ballads VI‘ zweifelsohne erkennen kann. Außerdem ist der Sound meiner neuen Scheiben um einiges besser als Ende der Achtziger zu Beginn meiner Sololaufbahn. Davon profitiert natürlich auch ‚The Ballads VI‘! (Steamhammer/SPV) P.Ro *****
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