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Die Sterne

Kritik zum Konzert am 22. März in der Alten Mälzerei in Regensburg

Frank Spilker gastierte mit seiner runderneuerten Band „Die Sterne“ vor ausverkauftem Haus in der Alten Mälzerei und Spilker immer mittendrin!

Es gab Zeiten, da galten „Fernsehprogramm“, „Scientology“ und „Hütchenspiel“ noch als die größten aller denkbaren Verführerfallen. Damals – in den mittleren neunziger Jahren –thematisierte Frank Spilker, der Sänger und Kopf der „Sterne“, solche herausragenden Bescheutertheiten in „Widerschein“. Die Single war 1997 auf dem Album „Denn von allen Gedanken, schätze ich doch am meisten, die interessanten“ erschienen. Womit „Die Sterne“ nicht nur in die Phase ihrer größten Erfolge einbogen. Sondern zeigten, dass sie textlich Standards zu setzen vermochten. Und ihre Alben mit dem jeweiligen Geist der Gegenwart aufzuladen vermochten, wie heute den Smartphone-Akku im Schnelllademodus.

Spilker immer mittendrin

Neben Blumfeld waren sie die namhaftesten Vertreter jener aus der Kreuzung verschiedener Minderheitenmainstreams entstandenen und stilistisch erstaunlich breit angelegten musikalischen Jugendbewegung, die sich „Hamburger Schule“ nannte. Und als solche waren sie Stammgäste, auch hier in Regensburg, sei‘s mal an einem sommerlichen Samstagabend im Villapark, sei’s mehrfach in der Mälze. Wenn Frank Spilker heute also, als Mittfünfziger, wieder auftaucht, als abgeschlagener Kopf seiner personell rundum erneuerten Kapelle (mit den beiden von Spar-Musikern Phillip Tielsch am Bass und Jan Philipp Janzen an den Drums, erweitert um Dyan Valdes an den Keyboards), dann könnte man tatsächlich befürchten: Ah, da startet einer auf seine spätmittelalterlichen Tage noch einmal durch, und begibt sich auf den Egotrip. Mit eigener Coverband, um Diskurshoheit zu behaupten, über die Mythen einer vielleicht viel zu schnell entschwundenen Vergangenheit. Und getragen von dem Willen, dies alles live auf der Bühne zu beschwören. Genau diesem Affen gibt Frank Spilker, dieser Zweimeterriese, der wie ein von den Konjunkturen des Wettglücks auf der Pferderrennbahn Gebeutelter aussieht, mit seinem Pepitahütchen, dem Zottelpelz und dem schwarzen Seidenhemd, auch reichlich Zucker. Denn nicht nur auf dem neuen Album, sondern auch hier auf der Mälzebühne platziert er einen Song, der „Spilker immer mittendrin“ heißt.

Was soll es sonst geben?

Aber genau deshalb ist alles so wohltuend anders, hier am Mittwochabend im rappelvollen Club. Weshalb an dieser Stelle ein kurzes Wort dem Publikum gewidmet werden muss: Dass Angela Aux – so das Pseudonym des Aloa Input-Sängers Flo Kreier, der mit seinen von akustischer Gitarre begleiteten Eigenkompositionen durchaus brillant den Spirit von Nick Drake oder Lou Reed beschwört – als „Vorband“ gegen eine auch durch geduldiges Zureden nicht zu stoppende Quasselwand anspielen muss, das ist nicht nur respektlos. Diese paradoxe Ignoranz zeigt auch, wie wenig Passion und Interesse eigentlich dafür da ist, was auch Frank Spilker im Kern seines ästhetischen Wesens antreibt. Auf ihrem jüngsten Album, dem ziemlich gelungenen „Hallo Euphoria“, heißt es im Titelsong nämlich: „Es gibt nur die Kunst, Musik und das Leben. Was soll es sonst geben? Verdammte Euphorie. Ich freu mich sonst nie! Ich hock immer nur so da! Viva Euphoria!“

Chor der Desinteressierten

Ja, was für eine starkes und optimistisches, der Dialektik abgerungenes Bild. Da steht man also in dieser, von multiplen Krisen erschütterten Gegenwart mit weit geöffneten Sinnesorganen am Bühnenrand. Und lässt sich auch als Angehöriger jener Generation, die sich noch farbkräftig erinnert, ans Erscheinen des wohl größten Singlehits „Was hat Dich nur so ruiniert“ im Jahr 1997, wegtragen, von den Beats. Die, wie Frank Spilker zwischenrein nuschelt, von ihm und Carsten Meyer (der sich als Produzent Erobique nennt) gemeinsam entwickelt werden. Von Zweien also, die Giorgio Moroder verehren und „im Zeichen der Discokugel“ ihre musikalischen Prägungen erfuhren. Ja, die Sterne, sie stehen eben nicht nur für intelligente Texte. Sondern noch viel mehr für extreme Tanzbarkeit, für einen rumpelnden, an Prince und Sly Stone geschulten Funk, der rundgemacht wird durch die durchmarschierende Bassdrum. Der handgemachte Sound ist hypnotisch wie Techno, der Bass immer repetitiv, aber auch ornamentierend, Spilkers Rhythmusgitarre funky wie aus der James-Brown-Hölle – und Orgelsounds pumpen das Ganze ordentlich auf. Angesichts dieses eineinhalbstündigen Wall of Noise verstummt schließlich auch der Chor der Desinteressierten. Oder lässt er sich sogar eines Besseren belehren und tankt voll, an der Euphorie-Zapfsäule?

Finaler Rettungsschluss

Jedenfalls ist schon nach rund eineinhalb Stunden Schluss, obwohl auf der am Bühnenboden klebenden Playlist zu lesen ist, dass die Band durchaus noch munitioniert gewesen wäre, für weitere Zugaben. Ob sie mit diesem finalen Rettungsschluss die Ehre von Angela Aux hatten retten wollen? Am Ende sind alle glücklich und aufgeräumt, und am Verkaufsstand taucht sogar der Frank Spilker persönlich auf, um CDs, Alben und T-Shirts zu signieren. Ob er noch immer, wie er mal in den Neunzigern in Regensburg verriet, ausschließlich „Spiegel und Joyce“ lese? „Nein“, antwortet Spilker, räuspert sich und verweist auf eine fast überstandene Erkältung (wohl der wahre Grund für den Zugabenverzicht): „Den ‚Ulysses‘ hab ich eh nie fertig gelesen. Aber ‚Krieg und Frieden‘ und die ‚Brüder Karamasow‘ fand ich super.“

Säm Wagner, Popkulturbeauftragter des Bezirks, war ebenfalls anwesend: „Ich fand das Konzert super. Die Sterne waren ja seit jeher regelmäßig auf Tournee in der Alten Mälzerei und dieses Mal hat‘s mir besonders gut gefallen! Obwohl ich ein Fan der frühen Sterne-Mitglieder bin, von denen ja nur noch Frank Spilker übrig ist, hat mich die neue Besetzung überzeugt. Das aktuelle Album ist eines der besten-Sterne-Platten seit Jahren. Und live auf der Bühne ist die jetzige Band nochmal deutlich mehr funky und tanzbarer geworden.“ Manche Verführer geraten eben nie aus der Mode! (Peter Geiger)