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Memento Mori

Depeche Mode

Die Band schreibt damit ihr unvergleichliches und lebendiges Vermächtnis fort.

Die Weichen für das 15. Studioalbum von Depeche Mode waren bereits gestellt, bevor Andrew Fletcher, der Keyboarder und Mitbegründer von Depeche Mode, im Mai 2022 überraschend starb. Dazu gehörte auch der Titel der LP, der übersetzt „erinnere dich an den Tod“ bedeutet. Doch unabhängig von der Zeitachse hängt ein dunkler Schatten über der Platte – alles scheint jetzt einfach viel schwerer zu sein. Aber diese Band – reduziert auf die Kernmitglieder Dave Gahan und Martin Gore – sucht seit mehr als vier Jahrzehnten Trost in derselben Dunkelheit. Produziert von James Ford mit Unterstützung von Marta Salogni reifte „Memento Mori“ während der Frühphase der weltweiten Covid-Pandemie heran; eine Periode, die auch einen thematischen Einfluss auf die Songs hatte. Es braucht nicht viel mehr als einen kurzen Blick auf die Titel der Stücke, um den Hauch von Sterblichkeit in „Memento Mori“ zu bemerken: Songs über Geister, Seelen und Tod sind überall auf dem Album zu finden. Die zwölf Albumtracks schlagen die Brücke zwischen einer Vielzahl von Stimmungen und musikalischen Texturen – angefangen beim bedrohlichen Opener bis zur Auflösung am Schluss spannt sich das Gefühlsspektrum von Paranoia und Besessenheit bis hin zu psychischer Befreiung und Freude sowie zahllosen emotionalen Zwischentönen. Sogar Gahans tiefe Stimme scheint jetzt eine dunklere, schwärzere Färbung zu haben. „Zeit ist flüchtig“, singt er in „Ghosts Again“. Der Katalog von Depeche Mode ist voll von solchen Gefühlen, aber selten klangen sie so unmittelbar. Man höre nur in Tracks wie „My cosmos is mine“ oder „Don’t stare at my soul“ rein. In „Wagging Tongue“ tauchen sterbende Engel auf, das von Gore gesungene „Soul With Me“ schließt Frieden mit dem Unvermeidlichen („I’m ready for the final pages“) und der Refrain von „People Are Good“ besteht nur aus dem wiederholten „Heaven help me, heaven help us“. Litt das letzte Album von Depeche Mode, „Spirit“ von 2017, unter einigen Hinwendungen zum Politischen, so ist davon auf „Memento Mori“ wenig zu spüren. Das meiste ist klassisches Band-Territorium – stimmungsvoller Gothic, der in vertraute lyrische Themen gehüllt ist, jetzt aber auch von einer weltumspannenden Pandemie beeinflusst wurde. Die Musik von Gore hebt gelegentlich die Stimmung. „Ghosts Again“ gleitet in klimpernde 80er-Jahre-Synthies ab, die die Entschlossenheit und glückliche Akzeptanz des Weitermachens aufdecken; das scheppernde, aber melodische My Favourite Stranger“ erinnert an Hits aus der Mitte der 80er Jahre wie „Never Let Me Down Again“ und Behind the WheelAber „Memento Mori“, das vom Tod geprägt und geleitet wird, ist die engagierteste Produktion, die Depeche Mode seit Jahren aufgenommen haben. Die Band schreibt damit ihr unvergleichliches und lebendiges Vermächtnis fort. Ihr verstorbener Bandkollege wäre stolz. (Columbia/ Sony Music) P.Ro

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