Die Brüder Pablo (Gitarre/Gesang) und Luka van de Poel (Schlagzeug/Gesang) sowie Robin Piso (Hammond/Wurlitzer) sind DeWolff und dieses Trio aus den Niederlanden, gegründet 2007 in Geleen, ist äußerst aktiv – in den letzten vier Jahren nahmen sie allein fünf Alben auf. Ihr brandneues Album erscheint Anfang Februar und ist eine Reaktion auf ihre beiden vorherigen Studioalben. ‚Tascam Tapes‘ wurde unterwegs mit einem Vierspur-Kassettenrekorder aus den 1980er Jahren aufgenommen. ‚Wolffpack‘ wurde im Pandemie Jahr mit Social Distance in ihrem Utrechter Electrosaurus Southern Sound Studio aufgenommen. Und auch musikalisch sitzt dieses Trio nicht still – von psychedelischen Southern-Rock-Kriegern sind sie zu Abgesandten des Soul geworden.
Im Mai 2022 fuhren sie nach Loguivy-Plougras in der Bretagne, wo sich das analoge Studio Kerwax befindet. Im Nordwesten Frankreichs gelegen und von Wäldern umgeben, zogen sie sich in dieses Wohnstudio zurück, das voller Vintage-Aufnahmegeräten aus den 1940er bis 1970er Jahren ist. Zur gleichen Zeit tauchte die Band tief in alte Soul- und R&B-Platten ein – Sam Cooke, The Impressions, The Coasters, The Clovers, Ray Charles und Little Richard – sowie in eine kräftige Dosis Gospel – The Soul Stirrers, Al Green und frühe Platten von The Staple Singers. Die Texte der Songs wurden dabei teilweise von Romanen amerikanischer Autoren des 20. Jahrhunderts inspiriert, die Pablo während der Pandemie gelesen hatte. Besonders John Steinbecks ‚Tortilla Flat‘, ein Schelmenroman von 1935, hatte ihn beeindruckt. „Es gibt ein Zitat von ihm: ‚Die gute Geschichte liegt in halb erzählten Dingen, die aus der eigenen Erfahrung des Hörers ausgefüllt werden müssen‘, und das war etwas, was ich mit den Texten auf dieser Platte wirklich tun wollte.“ Die Band spielte die Songs live und ohne Overdubs ein und wurde dabei von zahlreichen Freunden unterstützt. „Wir haben zusätzliche Leute mit nach Frankreich gebracht. Mit zehn Leuten in einem Raum zu spielen ist chaotisch. Bei jedem Take, den man macht, ist jemand nicht damit zufrieden, wie er spielt. Aber man erkennt, worauf es bei einem Take ankommt“. Alles wurde komplett analog und direkt auf Band aufgenommen, bei der Herstellung des Albums wurden keine Computer verwendet. Die Bänder wurden dann zu einem Mastering-Ingenieur geschickt, der den Lackschnitt für die Vinylpressung herstellte – auch dieses Mastering und der Schnitt erfolgten vollständig analog.
Diese Einflüsse, musikalisch wie textlich, zeigen sich bei den neuen Songs, wie z.B. „Counterfeit Love“ oder dem 16-minütigen Epos „Rosita“. „Wie ich jetzt schreiben möchte, spiegelt sich in Songs wie diesem wider“, sagt Pablo. „Ich wollte, dass sich diese Texte wie eine Geschichte anfühlen, aber auch wie eine Reise in sich selbst“, erklärt er. Was als kleine Geschichte über eine Highschool-Liebe beginnt, explodiert zu einer Geschichte über die Göttin der Liebe und des Todes, die in „The Queen of Space and Time“ mündet. „Es ist dieselbe Person. Es geht um diese gottähnliche weibliche Figur, die alle Arten von verrückten, dunklen Dingen kontrolliert. Bei Rosita kann man nur mit ihr zusammen sein, wenn man schläft oder tot ist, es ist also eine Kombination aus Liebe und Tod. Daher kommt auch der Name des Albums.“ Auch „Heart Stopping Kinda Show“ kann vielseitig interpretiert werden: „Es geht darum, wie ich das Leben sehe“, sagt er. „Das Leben ist eine herzzerreißende Art von Show. Ich habe mit ‚Tortilla Flat‘ (John Steinbeck Roman von 1935) im Hinterkopf geschrieben. Diese Charaktere denken nicht ständig über alles nach; sie leben, trinken Wein und haben diese schönen Momente. Sie führen das ultimative Leben. In dem Song wollte ich die Dinge im Leben beschreiben, die schön sind.“ Wer noch weitere Anspieltipps braucht – „Will o‘ the Wisp“ kommt etwas düster, während Songs wie „Night Train“, „Message for my Baby“ oder „Wontcha Wontcha“ Gassenhauer-Charakter haben.
DeWolffverließ die ländliche Umgebung der Bretagne mit zwölf Songs, die auf vier Bändern aufgenommen wurden. Und mit dieser Mischung aus Al Green, Sam Cooke und John Steinbeck haben sie einige ihrer gefühlvollsten und mitreißendsten Songs geschaffen. Wenn sie singen: „Hey there baby won’t you come on in, I got plenty old records that we can play, some rhythm & blues some old rock ’n roll, yes the type of stuff that can save a soul“, sollte man sich fallen lassen und sich von DeWolff zurück in diese Zeit versetzen lassen. Wer die alten Rockbands der 60er und 70er Jahre und „neue“ Vintage Bands wie Greta van Fleet mag, der muss DeWolff kennenlernen, sofern er sie noch nicht kannte. (Mascot Records) P.Ro
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