Vielleicht ist diese Gitarre, die Robert Coyne da live auf der Bühne spielt, ja auch als Symbol zu verstehen? Denn dieses Instrument, es verfügt zwar über einen Rahmen. Aber diese aus schwarzem Kunststoff gefertigten Kurven, sie umschließen keinen Korpus. Sondern sie umfangen lediglich die Leere. Und dienen nur dazu, dass der Spieler mehr in Händen hält, als ein bloßes Brett mit Saiten dran.
Die Musik, die Robert Coyne darauf spielt, sie ist von ähnlicher Konstruktion: leicht und fragil zugleich, einfach und dennoch komplex. Und: von hohem Wiedererkennungswert. Die Noten, die er auf dieser, wie eine magische Axt aussehenden Gitarre spielt – sie dienen dazu, die Stille zu verpacken. Und so dem Schweigen und der Ruhe Würde zu verleihen. Dieser Gedanke stammt von Miles Davis – und fragt man Robert Coyne nach seinen wichtigsten musikalischen Einflüssen, so nennt er den legendärsten aller Jazz-Trompeter als ersten. Um dann, nach kurzem Nachdenken, nachzulegen, und die Stones noch mit hineinzunehmen, in den Kreis seiner Top-Favoriten. Ein weiteres Echo freilich kommt hinzu – und das ist das Erbe seines Vaters. Kevin Coyne, dieser legendäre ewige Geheimtipp von der Insel, der bei Virgin gleich nach Mike Oldfield einen Vertrag erhielt. Er war gesegnet, mit der Gnade, dass er aus dem Stand perfekte Songs zu komponieren vermochte und diese mit Lyrics versah, in denen er Geschichten erzählte, von denen, die auf der Verliererseite des Lebens stehen.
Stefan Voit, der jahrzehntelang bei einer Oberpfälzer Tageszeitung das Feuilleton leitete, hat sich der Familie Coyne angenommen – und kuratiert seit gut zehn Jahren nicht nur Ausstellungen mit Bildern von Kevin Coyne, sondern er sorgt auch dafür, dass der 1969 geborene Robert Coyne in Deutschland sich auf der Bühne präsentieren kann. Das neue Album, das in Köln beim Label „Meyer Records“ erschienen ist, enthält zwölf fantastische Songs und trägt den wunderbaren Titel „The Hiss of Life“. Auf dem Cover ist eine zwinkernde Katze zu sehen, die uns die Zunge rausstreckt – Roberts Gattin Wendy hat sie in meisterhafter Manier gemalt. Dieses Wispern des Lebens performt Robert Coyne gemeinsam mit dem Drummer Werner Steinhauser – einem in Nürnberg lebenden Musik-Profi und Studiobesitzer, der, als Vater Kevin irgendwann nach einer Odyssee in der mittelfränkischen Metropole gelandet war, Mitte der 1980er Jahre, mit ihm eine Reihe von Platten aufnahm.
Der Musikjournalist Steffen Radlmaier hat dem 2004 verstorbenen Künstler und Rockpoeten Kevin Coyne eine Biographie (The Crazy World of Kevin Coyne, 380 Seiten stark, erschienen bei Starfruit, 28 Euro) gewidmet. Darin lässt sich nachlesen, wie schwierig es gewesen sein muss, Sohn zu sein dieses Mannes, der oft kein Maß kannte, was seine Kreativität anbelangt – aber auch, was Alkohol und Nikotin betraf. In den frühen 1980ern – Robert war gerade elf – da erlitt sein Vater einen Zusammenbruch. Die Tour, die er mit seiner Band durch Frankreich machte, musste abgebrochen werden. Radlmaier schreibt, dass das wohl die Hölle war, durch die die Familie damals ging, als der Vater seinen Dämonen begegnete und festhing, in Rennes. Das alles freilich ist lange her. Am Ende des rund eineinhalbstündigen Konzerts im Raven singt Robert Coyne „Sugar Candy Taxi“ – einen späten Song seines Vaters, den sie gemeinsam komponiert haben. Und damit zeigt er, wie sehr er ihn vermisst.
Gleichzeitig ist der 53-Jährige, der im Londoner Stadtteil Brixton (dort, wo auch David Bowie aufwuchs) lebt und in einem – nach allem, was man hört: fantastisch sortierten – Second Hand-Buchladen arbeitet, ein Typ mit brillantem Humor. Nachdem er das Publikum um Verzeihung gebeten hat, für den Brexit – schiebt er nach, dass er sich für Liz Truss schäme. Was er nicht wissen kann, an diesem Mittwochabend: Tags darauf erklärt die glücklose Konservative, die die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat, ihren Rücktritt. Robert Coyne aber macht weiter. In den nächsten Tagen hat er noch drei Auftritte in Österreich – bevor es dann wieder hinüber geht, auf die Insel der Tristesse. Aber auch dort wird er weitermachen mit seiner Musik, die meditativ wirkt mit ihren repititiven Versatzstücken und dennoch immer neu ist. Weil sie uns auf geheimnisvolle Weise Wesentliches zu erzählen vermag: vom Zischen des Lebens! (Peter Geiger)